Was wäre wenn?

Was wäre, wenn ich mich ent­schei­den wür­de, ab heu­te – nein bes­ser – ab sofort nicht mehr mei­ne Ent­schei­dun­gen danach zu tref­fen, was mir einen Vor­teil bringt? Was wäre, wenn ich all mein den­ken, ent­schei­den und han­deln danach aus­rich­ten wür­de, dass mein Tun und Sein der Welt zum Vor­teil gereichte?

Aber war­um soll­te ich das tun? Und wie soll das gehen? Soll ich nun etwa mein letz­tes Hab und Gut ver­schen­ken und in Lum­pen gehüllt als barm­her­zi­ger Sama­ri­ter unter den Men­schen wan­deln? Oder nie wie­der mich ver­wei­gern, wenn jemand von mir was will? Oder immer Ja und Amen sagen, auch wenn jemand mich aus­nut­zen möch­te, oder etwas tun möch­te, was MIR nicht gut tut?

Wenn ich mich ab sofort dafür ent­schie­de der WELT als Geschenk zu die­nen, ja wie könn­te man denn dar­auf kom­men, dass man NICHT zu die­ser Welt gehö­ren wür­de? Dass man es nicht auch ver­dient, beschenkt zu werden?

Stel­le Dir fol­gen­dens vor: Eine Grup­pe von Men­schen gin­ge wan­dern in den Ber­gen. Man ist schon eini­ge Zeit unter­wegs, eine gewis­se Erschöp­fung und Müdig­keit macht sich breit. Gegen Abend fin­det man eine Berg­hüt­te und beschließt ange­sichts der her­an­na­hen­den Dun­kel­heit ein­zu­keh­ren. Der Hüt­ten­wirt begrüßt die Rei­sen­den mit den Wor­ten: „Ja griaßt aich. Jo frei­li kenscht bei mir aus­ru­ahn. I hob lei kaum mehr awos zu essn. Isch nur no EIN Brot do.”
So. Und jetzt? An die­sem Bei­spiel wird es gut deut­lich. Wenn das Gan­ze nun so abläuft, wie es in unse­rer Welt üblich ist, wür­de der schnells­te schnell 10 Euro auf den Tisch legen und rufen: „Ich kau­fe es.” Doch wür­de die­ser ganz schnell vom nächs­ten über­bo­ten wer­den und schließ­lich wür­de der­je­ni­ge das Brot erhal­ten, der am meis­ten Geld hat. Oder der­je­ni­ge mit der größ­ten Gewalt­be­reit­schaft und Aggressivität.


Nicht der­je­ni­ge, der am meis­ten Hun­ger hat, oder der­je­ni­ge, der am wenigs­ten Vor­rä­te hat, oder der­je­ni­ge, der am wenigs­ten Fett­re­ser­ven auf den Rip­pen hat und auch nicht der­je­ni­ge, der am erschöpf­tes­ten ist. Nein – der­je­ni­ge mit dem meis­ten Geld und das wäre auch ver­mut­lich der­je­ni­ge, der am wenigs­ten Hun­ger hat, weil er eh den High­tech-Ruck­sack dabei hat mit High-Pro­te­in Müs­li-Rie­geln in Massen.

Spin­nen wir das Hüt­ten­bei­spiel doch mal weiter.
Der mit dem meis­ten Geld oder der über­le­ge­nen Kör­per­kraft oder der cle­vers­ten Intel­li­genz wür­de nun auch dafür sor­gen, dass er das bes­te Zim­mer mit den wärms­ten Decken bekäme.
Nicht der­je­ni­ge, der am leich­tes­ten friert, oder am erschöpf­tes­ten ist.
Und so wei­ter, und so fort. Den­ke das Sze­na­rio mal durch – ruhig in den Vari­an­ten „die Grup­pe kennt sich schon” und „die Grup­pe ist sich fremd”.

Was wäre nun, wenn – in jeder Vari­an­te – ein jeder sei­ne Ent­schei­dung davon lei­ten lie­ße, was der Welt zum Vor­teil gereicht. Die Welt ist in dem Fall über­schau­bar klein: Die Wan­de­rer (inklu­si­ve man selbst) und der Hüt­ten­wirt. Wenn die Ent­schei­dun­gen dar­aus ent­stün­den, was die Schön­heit in der Welt mehrt, so wür­de das Brot von denen gekauft wer­den, die am meis­ten Geld zur Ver­fü­gung haben und es bekä­men die­je­ni­gen, die es am drin­gens­ten benö­ti­gen. Die Zim­mer wür­den eben­falls von den­je­ni­gen bezahlt wer­den, die das Geld am leich­tes­ten ent­beh­ren kön­nen und es wür­de den­je­ni­gen zuge­teilt wer­den, die an jenem Abend am drin­gens­ten Wär­me und Ruhe bräuchten.

Ganz ein­fach, oder?

Viel­leicht wärest DU der­je­ni­ge, der am leich­tes­ten das Geld ent­beh­ren könn­te und ICH der­je­ni­ge, der das Brot braucht.
Viel­leicht wäre ICH aber auch der­je­ni­ge, der das Geld zahlt und DU der­je­ni­ge, der das Brot isst.
Viel­leicht wäre auch zufäl­lig der­je­ni­ge mit dem Geld auch der­je­ni­ge, der das Brot bekommt.
Ja, alle Kom­bi­na­tio­nen sind mög­lich und – jetzt mal ganz ehr­lich – wenn man sich die­ser Fra­ge stellt, dann ist auch völ­lig klar und offen­sicht­lich woher das Geld kommt und wie das Brot ver­teilt wird, oder nicht?

Nun und das Char­man­te an der gemein­schaft­li­chen Lösung ist ja, dass hier­durch das Gemein­wohl gestei­gert wird. Ein jeder hat was davon, denn am nächs­ten Mor­gen bewegt sich die Grup­pe als Freun­de wei­ter durch die wun­der­schö­ne Berg­welt – alle sind aus­ge­ruht, gesät­tigt und moti­viert. Und es sind Freun­de. Was für eine schö­ne Berg­tour das sein muss…

Was wäre, wenn ich mich ent­schei­den wür­de, ab sofort mei­ne Ent­schei­dun­gen danach zu tref­fen, was die Schön­heit in der Welt mehrt? Wenn ich mein Leben dazu ver­wen­den wür­de, dass die Welt nach mei­nem Tod ein klein wenig reich­hal­ti­ger wäre, als vor mei­ner Geburt?

Für manch einen ist es dabei die Her­aus­for­de­rung, sich nicht mehr zu über­ge­hen. Denn nie­mand, der sich über­geht, kann ein Geschenk für die Welt sein. Für manch ande­ren ist es dabei die Her­aus­for­de­rung, nicht mehr ande­re zu über­ge­hen. Denn nie­mand, der ande­re über­geht, kann ein Geschenk für die Welt sein.

Ganz natür­lich fin­det sich die Balan­ce, wenn man sich die­ser Fra­ge bereit­wil­lig stellt. In der einen Situa­ti­on kann mal das Wohl­be­fin­den der ande­ren Men­schen wich­ti­ger sein, in einer ande­ren Situa­ti­on kann mal das eige­ne Wohl­be­fin­den vor­dring­li­cher sein. Und die Magie ist, dass sich das immer zuein­an­der ergänzt. Wenn alle sich die­ser Fra­ge stel­len, dann passt jeg­li­cher Man­gel und Über­schuss lücken­los zusam­men. Und dann auf ein­mal wird deut­lich, dass das Leben an sich pure Fül­le ist. Dass wir ein Pro­zent unse­rer Kraft benö­ti­gen, um für uns selbst zu sor­gen und neun­und­neun­zig Pro­zent frei sind, um für die Welt ein Bei­trag zu sein.

In JEDER Situa­ti­on, in jeder Sekun­de des Lebens, gibt es zwei Türen, durch die ich gehen kann.
Die eine Türe offen­bart die Welt des Man­gels, in der ich auf­pas­sen muss, dass ich nicht zu kurz komme.
Die ande­re Türe offent­bart die Welt der Fül­le, in wel­cher ich mit vol­lem Her­zen ein Bei­trag für alle füh­len­den Wesen bin.
Durch wel­che Türe willst Du gehen? Jetzt und hier und heu­te und in die­ser Woche?

Das Leben bekommt erst da Glanz und Schön­heit, wo ich den Mut habe, mich als Teil eines grö­ße­ren Gan­zen zu begrei­fen. Sei es in einer Wan­der­grup­pe in den Ber­gen, sei es in einer Semi­nar­grup­pe oder sei es in mei­nem all­täg­li­chen Leben: Erst, wenn es einem jeden Men­schen in mei­nem Ein­fluss­be­reich gut geht, erst dann beginnt wah­rer Frie­den und wirk­li­che Eksta­se für mich und die Welt.

Alles Lie­be,
Dirk Liesenfeld.

2 Kommentare zu „Was wäre?“

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