Es heißt, dass Vertrauen wachsen müsse. Mit der Zeit entstünde. Zum Beispiel zwischen zwei Menschen. Erst wenn man jemanden eine Weile kennt, entsteht Vertrauen. Auf eine Art stimmt das auch, aber eben nicht wirklich.
Denn wenn es die Zeit braucht für einen Menschen um Vertrauen zu fassen, dann ist es eher so, dass in diesem Menschen ein grundsätzliches Misstrauen bestand, welches dann durch die Zeit überdeckt wird. So als ob jemand davon erstmal ausgeht, dass eh was schlimmes passiert wenn er oder sie sich zeigt. Nach und nach zeigt die Person sich dann mehr und mehr und stellt fest, dass nichts passiert und öffnet sich dadurch wieder etwas mehr.
Doch das ist kein Vertrauen – es ist Kontrolle in Verkleidung.
Denke mal darüber nach, lass es eine Weile wirken…
Interessanterweise ist es so, dass Menschen, die so ans Leben herangehen, früher oder später immer wieder enttäuscht werden. Da braucht es nur eine falsche Bewegung oder Bemerkung des Gegenübers und schwupp – das war es dann mit dem Vertrauen. Und „falsche Bemerkung” meine ich nicht absolut, sondern einfach nur etwas, was das Misstrauen berührt, welches unter allem weiterhin liegt und wirkt.
(Dieses Video gibt es übrigens auch auf Englisch)
https://www.youtube.com/watch?v=15rO9cmbX9oUnd spannenderweise scheint es auch so eine Art Gruppenbildung unter den Menschen zu geben: Misstrauende Menschen treffen sich vorzugsweise mit misstrauenden Menschen *lach*
Doch der Wunsch nach Vertrauen ist stark in jedem lebenden Wesen.
Wenn Du wissen willst, was Vertrauen wirklich ist, dann beginne damit, kleine Tiere zu beobachten, die in einem natürlichen Verhältnis aufgewachsen sind – Katzen auf einem Demeter-Bauernhof oder so.
Oder beobachte Kinder, die noch nicht verbogen oder gebrochen wurden. Die vertrauen auch erstmal grundsätzlich jedem, es sei denn der andere Mensch beweist – in der kindlichen Wahrnehmung – dass er nicht vertrauenswürdig ist. Verstehst Du den Unterschied? Es ist eine Art Beweisumkehr, nicht wahr?
Ich vertraue erstmal grundsätzlich allem und jedem – ja, und manchmal zeigt es sich, dass es nicht funktioniert. Bin ich dann enttäuscht? War es ein Fehler zu vertrauen? Nein, absolut nicht. Für mich würde eine Quote von 1000 zu 1 genügen, damit ich weiter in naivster Weise vertraue. 1000 mal „zu Unrecht vertraut” und einmal zu Recht. Meine Quote ist jedoch eher umgekehrt. Und selbst in dem einen Mal, in welchem es halt nicht funktioniert hat, finde ich stets dann auch den Anteil meiner Seite, der den Kontakt verhindert hat.
Vertrauen ins Leben, in mich selbst, in andere Menschen oder Situationen – das ist etwas, was ICH verschenke und das geht nur im Gesamtpaket. Entweder ich vertraue, dann aber sowohl mir selbst, als auch den anderen Menschen und dem Leben. Oder eben nicht.
Vertraust Du, oder vertraust Du nicht? Nur wenige Menschen über 5 Jahre vertrauen mehr. Die meisten merken das noch nicht einmal, denn sie rechtfertigen ihr Misstrauen mit rationalen Gründen: „In unserer heutigen Zeit”, „ja aber ich habe dann mal vertraut und schau, was dann passiert ist” und so weiter. Und – ja klar: In der Welt des Misstrauens ist das ja auch richtig. Menschen, die misstrauen, denen begegnen wirklich – in ihrer subjektiven Welt – viele schreckliche Dinge. Misstrauen ist eine negative Spirale: Je mehr man misstraut, umso mehr Unerwünschtes passiert und umso mehr misstraut man dann halt. Man beginnt sich mehr und mehr abzusichern, doch in diesem Käfig stirbt dann halt leider auch die Lebendigkeit.
Du kannst Dein Maß an Vertrauen an Deinem kindlichen Lebensgefühl messen. Je unbeschwerter und leichter Du lebst, je mehr tiefgehende Kontakte Du pflegst, je mehr Verantwortung Du in Freude trägst, je unberechenbarer Dein Leben ist, je freudvoller Du jeden Morgen aufstehst… das sind Hinweise für ein Leben in Vertrauen. In Leichtigkeit der Tiefe und Verbindlichkeit begegnen.
Misstrauen ist andererseits das, was Menschen stets zweifeln lässt, kontrollieren möchte, erdrückende Schwere schafft, stets kritisch nach dem sucht, was zu neuem Misstrauen führt, auf der Hut sein und auf sich selbst aufpassen, Mangel, Angst und Vorbehalte.
Vertrauen ist unerschütterlich in Bezug auf äußere Ereignisse. ICH schenke das Vertrauen und ICH entscheide, wo ich es nicht weiter hingebe. Und wenn ich da gut genug hinsehe – also immer dann, wenn in mir das Gefühl von Verletzlichkeit oder Enttäuschung aufsteigt – dann erkenne ich, dass dies immer mit etwas älterem in MIR zu tun hat, als der aktuellen Situation, die es scheinbar erzeugt. Die aktuellen Situation sind stets Auslöser und niemals Ursache. Und dann kann ich entscheiden, ob ich da bleiben möchte, oder in Frieden weiter ziehe. Wenn ich zu oft weiter ziehe, macht es vielleicht mal Sinn zu bleiben. Wenn ich über Jahre bleibe und sich nichts dreht, macht es vielleicht auch mal Sinn weiter zu ziehen.
Natürlich gibt es Erlebnisse in der Vergangenheit eines jeden Menschen, die zum Misstrauen führten. Enttäuschungen, Missbräuche, Vernachlässigungen. Doch Du hast es in der Hand, ob Du davon Dein Leben beeinflussen lässt, oder nicht. Vielleicht die einzige freie Wahl des Menschen.
Wenn ich vertraue, dann vertraue ich mit Leib und Seele, zu 100 Prozent, ohne Netz und doppelten Boden: Dem Leben, den Menschen und letztlich mir selbst. Was könnte dann noch großartig Schlimmes passieren?
Alles Liebe,
Dirk Liesenfeld.
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