Ver­lust – was er uns leh­ren kann.

Etwas oder jeman­den gelieb­tes zu ver­lie­ren ist immer etwas schlim­mes. Doch wenn wir uns im Moment oder in der Zeit danach nicht dem ver­schlie­ßen, was es uns zei­gen will, so erken­nen wir – hin­ter all der Trau­er und dem Ver­lust – etwas ganz ande­res. Eine wei­te­re Dimen­si­on. Näm­lich die, dass uns etwas so nah kam, dass es wirk­lich tief unser Herz berühr­te. Wirk­lich ganz unmit­tel­bar an unse­rem Inners­ten Kern sich anschmieg­te. Und die wesent­lichs­te aller Fra­gen ist doch dann die, ob man – wäh­rend das Gelieb­te noch Teil des eige­nen Lebens war – sich dar­auf ein­ge­las­sen hat. Sich dafür Zeit und Raum gege­ben hat.

Und ich glau­be, dass der größ­te aller Schmer­zen nicht der ist, etwas für immer ver­lo­ren zu haben.

Nein ich glau­be, dass es viel, sehr viel schlim­mer ist, wenn Du erkennst, dass Du nicht für ES oder IHN oder SIE da warst, wäh­rend Du noch die Chan­ce gehabt hät­test. Dich nicht ganz ein­ge­las­sen hast, Dein Herz nicht voll und ganz geöff­net hast, Dich von vie­len Klei­nig­kei­ten hast ablen­ken las­sen. Die Neben­säch­lich­kei­ten höher gestellt hast, als das Wesent­li­che. DAS zu erken­nen ist so viel mehr Leid­voll, als der Ver­lust selbst.

Doch die­se Erfah­rung ist unum­gäng­lich, denn sie lehrt uns den Wert des Lebens und wie wesent­lich es ist wirk­lich zu lie­ben und sich ein­zu­las­sen. Und das ist das selt­sa­me dar­an: So vie­le Men­schen, die ihr Herz ver­schlie­ßen aus Angst ver­letzt zu wer­den, zu ver­let­zen oder zu ver­lie­ren, zu ver­las­sen. Doch sich ganz ein­zu­las­sen auf das, was wirk­lich von Bedeu­tung ist, ist die ein­zi­ge Mög­lich­keit die wah­re Lie­be zu erfahren.

Ja – natür­lich: Berühr­bar zu sein birgt Ver­letz­lich­keit in sich. Aber eben auch die Basis für das, was uns Men­schen wirk­lich als gött­li­che Wesen aus­macht: Das Mit­ge­fühl, die Zärt­lich­keit, die Freu­de und die Ekstase.

Ver­lust – Was er uns leh­ren kann

Der Ver­lust kann Dich all das leh­ren, wenn Du ihm auf­merk­sam zuhörst. Ganz gleich, ob Du der­zeit etwas ver­lo­ren hast, oder etwas wert­vol­les bei Dir ist, oder bei­des viel­leicht zur sel­ben Zeit. Dem Ver­lust zu lau­schen, heißt stets bei­de Gefüh­le in sich zu tra­gen: Die Lie­be und Offen­heit zu dem, was Dir nah sein will und die Mög­lich­keit, dass es jeder­zeit von Dir gehen kann. Und – so selt­sam es viel­leicht klingt – letz­te­res ist die Basis für ers­te­res. Nur wenn Dir die Ver­gäng­lich­keit aller Din­ge in vol­lem Aus­maß – ganz real – bewusst ist, nur dann wird es mög­lich das Wesent­li­che vom Unwe­sent­li­che zu unterscheiden.

Sagen wir ein­mal da gäbe es ein Kind in Dei­nem Leben. Oder ein Mensch, der Dir nahe ist. Oder was auch immer. Nur wenn ein Teil von mir ganz damit ver­bun­den ist, dass all das nur vor­über­ge­hen­de Beglei­ter auf mei­nem Erden­weg sind wer­de ich zum Bei­spiel einen dro­hen­den Streit ver­mei­den kön­nen – ein­fach weil 99 Pro­zent aller Strei­tig­kei­ten von unwich­ti­gen The­men ent­facht wer­den. Spü­re ich nun die Kost­bar­keit eines jeden Momen­tes mit dem gelieb­ten Wesen, so fällt es auf ein­mal sehr, sehr leicht mich für die Lie­be und damit gegen das Gezan­ke zu entscheiden.
Oder für die Berühr­bar­keit und gegen die Verletzlichkeit.
Oder für das Mit­ge­fühl und gegen die Rechthaberei.
Oder ganz anders: Näm­lich dafür, dass ich zu MIR ste­he und einen Men­schen oder eine Situa­ti­on ver­las­sen muss, weil ich erken­ne, dass das Mit­ein­an­der nicht von Lie­be getra­gen ist, und auch hier nicht von ihr getra­gen sein wird.
Sich ganz ein­las­sen oder ganz frei­ge­ben sind zwei Sei­ten der­sel­ben Medaille.

Es geschieht dann nicht mehr, weil ich irgend­wo mal gehört oder gele­sen habe, dass das gut und rich­tig wäre. Nein, es ist dann eine tie­fe inne­re Erkennt­nis, weit jen­seits des Ver­stan­des und tief drin­nen im Körper.

Und jedes mal, wenn etwas wert­vol­les aus Dei­nem Leben geht, so ist der Zeit­punkt da Dich zu fra­gen: „Und? War ich ganz da? Habe ich jeden Moment aus­ge­kos­tet und nichts zurück­ge­hal­ten oder zurück­ge­wie­sen?” Und wenn ich da erken­ne, dass etwas fehl­te. Dass viel­leicht ein wenig mehr mög­lich gewe­sen wäre, so ist das sehr trau­rig und ein wirk­li­cher Anlass zu wei­nen und sich zu grä­men. Und es ist aber auch ein wirk­li­cher Anlass sich inner­lich vor­zu­be­rei­ten für das nächs­te mal, wenn die Lie­be an die Türe klopft. Den inne­ren Tem­pel zu fegen, alles zu berei­ten für die nächs­te Mög­lich­keit sich tief und noch tie­fer ein­zu­las­sen auf das, was mir begegnet.
Und ein jedes mal mehr wirst Du fest­stel­len, dass auch Dein Gegen­über ein klein wenig berei­ter ist, den Schritt in die Gemein­sam­keit zu gehen. Den­ke dar­an: Eine jede Situa­ti­on und ein jeder Mensch ist immer nur der Spie­gel Dei­ner EIGENEN Bereit­schaft Dich einzulassen!

Das Leben kann so kurz sein ohne die Liebe.
Und es kann so inten­siv sein mit ihr.
Nicht die Zahl der Lebens­jah­re ist das, was ein Leben reich­hal­tig macht. Viel­mehr das Aus­maß des sich Ein­las­sens ist der Nek­tar, wel­cher den Krug des Lebens füllt.

Alles Lie­be,
Dirk Liesenfeld.

10 Kommentare zu „Ver­lust“

  1. Hal­lo Dirk,

    ich möch­te Dir mei­ne Ein­drü­cke zum aktu­el­len Tage­buch Video mitteilen.

    Das Video hat mich nach­denk­lich gemacht und zeigt auch das das Leben zu kost­bar ist um es mit Klein­kram und Bana­li­tä­ten zu vergeuden.

    Beim anse­hen des Video ist auch wie­der in mir der Gedan­ke hoch­ge­kom­men das ich Men­schen in mei­nem Umfeld ver­lie­re oder ver­lie­ren wer­de. Ich kann nicht sagen wer genau und doch spü­re ich das es mir jetzt schon weh tut.
    In letz­ter Zeit fin­de ich kei­nen rich­ti­gen Draht mehr zu mei­nen lang­jäh­ri­gen Freun­den, dass ist sehr merk­wür­dig und fühlt sich trau­rig an.
    Das Gefühl nicht dazu zuge­hö­ren hat­te ich auch beim Semi­nar nach der Öl-Akti­on wo das Matrat­zen­la­ger lag, nach dem rei­ni­gen des Kel­lers habe ich kein „Platz” mehr gefun­den zu den Menschen.
    In mir ist dann Trau­rig­keit hoch­ge­kom­men und das Gefühl nicht in die Grup­pe zugehören.
    In letz­ter Zeit kom­men auch neue Bekann­te in mein Leben und teil­wei­se weis ich nicht wie ich damit umge­hen soll ob ein­bin­den oder nur kurz akzeptieren.
    Zu mei­ner Mut­ter habe ich auch kei­ne Ver­bin­dung mehr oder weil ich ihr nicht von dem erzählt habe was ich beim Semi­nar erlebt habe. Das da durch ein Gra­ben ent­stan­den ist.
    Bis­her habe ich für mich noch kei­ne Lösun­gen gefunden.

    Du siehst trau­rig aus und in dei­nen Augen sehe ich das etwas weg ist, ver­lo­ren gegan­gen. Was dich sehr im Herz berührt.

    Herz­li­chen Gruß,

    Jens

    1. Lie­ber Jens,

      die Kunst ist es – wie im Video erwähnt – sein Herz zu öff­nen für alles, was sich zei­gen will. Das kön­nen die erwünsch­ten Gefüh­le sein, wie z.B. Lust, Freu­de und Lie­be. Aber auch die erwünsch­ten Gefüh­le, wie z.B. Angst, Zwei­fel oder – wie bei Dir – die Einsamkeit.
      Das Herz unter­schei­det nicht zwi­schen den uner­wünsch­ten und erwünsch­ten Gefüh­len – es fühlt ein­fach nur. Die Unter­schei­dung in erwünscht und uner­wünscht fin­det durch den Ver­stand statt – aber der hat ja immer was zu mäkeln, oder nicht?
      For­sche ein­fach, wie es mög­lich wird, dass Du in einer für Dei­ner Mut­ter trag­ba­ren Wei­se ehr­lich über die Semi­na­re berich­ten kannst. Also so vie­le Detail-Infor­ma­tio­nen, wie nötig (damit es ehr­lich ist) und so weni­ge wie mög­lich (damit es für Dei­ne Mut­ter trag­bar bleibt).
      Eine Lösung wird man nie fin­den, denn es ist und soll eine ste­ti­ge For­schungs­rei­se sein.

      Alles Lie­be,
      Dirk.

      P.S. Inter­es­sant, was unter­schied­li­che Men­schen so alles in mei­nen Augen sehen *lach*
      Manch­mal fra­ge ich mich, ob mei­ne Augen (oder über­haupt alle Augen?) klei­ne Spieg­lein sind, in wel­chen sich die Men­schen selbst erbli­cken…? Mein Leben ist sehr schön, sehr erfül­lend und sehr glück­lich. Und – natür­lich – wenn ich über Ver­lust spre­che, dann ist da viel Mit­ge­fühl in mir für Men­schen, die der­zeit damit kon­fron­tiert sind. Und doch: Schau mal genau hin und Du wirst genau­so viel Freu­de und Leich­tig­keit in die­sem Video ent­de­cken, wie Trau­er und Tiefe…

  2. Lie­ber Dirk,

    ich bin ja so froh, dass ich dir „mein“ The­ma aus der Mail nicht in den Kom­men­tar geschrie­ben hat­te. Ich dach­te gleich bei mir: „ich soll das The­ma da rein­schrei­ben? Nein, irgend­was dar­an ist für mich nicht rich­tig.“ Ich habe dann wei­ter über das The­ma (Gerech­tig­keit) nach­ge­dacht. Es ver­gin­gen ein paar Tage. Eines Mor­gens gucke ich in dein Blog. Und was erle­be ich? Das, was ich immer erle­be mit dei­nen Bei­trä­gen: dass sie pas­sen und dass ich gar nichts dafür tun muss. Ich muss nur gedul­dig sein. 

    Ver­lust. Was soll ich sagen: es pass­te des­halb gut, weil ich vor einer Woche glaub­te, mei­ne Ket­te ver­lo­ren zu haben. Das klingt viel­leicht albern, ist ja nur eine Ket­te. Aber es waren zwei Anhän­ger dran, die für mich einen sym­bo­li­schen Wert hat­ten, vor allem der Anhän­ger „Glau­be, Lie­be, Hoff­nung“. Und ich hat­te die Ket­te ver­lo­ren! Ich war so trau­rig und konn­te nicht fas­sen, dass ich das abends nicht gemerkt hat­te beim Able­gen des Schmu­ckes. Jeden­falls führ­te das dazu, dass ich genau über die­ses The­ma nach­dach­te: Ver­lust. Und was genau ich nun ver­lo­ren hat­te oder ver­lo­ren zu haben glaub­te. Es war Schutz und damit Sicher­heit (was mir die Ket­te mit dem Anhän­ger gab/geben soll­te). Aber dann dach­te ich: „das muss doch in dir drin sein, das kannst du doch nicht abhän­gig machen von einem Ket­ten­an­hän­ger.“ Jeden­falls sprach ich mit einer Kol­le­gin dar­über, über die Sache mit der Ket­te, mei­ne Gedan­ken und dei­nen Bei­trag. Beson­ders dar­über, wie wich­tig es ist, sich des Ver­lus­tes von zum Bei­spiel gelieb­ten Per­so­nen bewusst zu sein, und sich dann von Lie­be durch­strö­men zu lassen.

    PS: das mit der Ket­te lös­te sich dann wie folgt auf: sie war mir ein­fach vom Hals gefal­len bei einer Run­de mit Freun­den und lag genau dort auf dem Boden, wo ich geses­sen hat­te. Und bei die­ser Freun­din liegt nun die­se Ket­te seit mehr als einer Woche – und ich kom­me sehr gut ohne sie zurecht. Dabei wur­de mir noch eines klar: am schlimms­ten war die Unge­wiss­heit. Nicht zu wis­sen, wo, wann und wie ich die Ket­te ver­lo­ren hat­te. Und gene­rell fin­de ich, dass Unge­wiss­heit schwer zu ertra­gen ist.

    Namas­te ^_^

  3. Lie­ber Dirk,
    es ist so oft in mei­nen Leben pas­siert, wenn ich die Ant­wort suche, gehe ich auf Dei­ner Seite…oder zum Semi­nar… dann fin­de ich die Lösung durch Dei­ne Wor­te. Heu­te habe ich wie­der intui­tiv Dei­ne Sei­te besucht und mei­ne Wahr­heit gefunden.…Danke.
    Dei­ne Video möch­te ich ab jetzt öfter hören um die Wor­te mehr in mir zu vertiefen.Es kommt mir in Moment ein Spruch hoch, und zwar:„Du hast nur eines in aller Welt, was Dir ganz gehört- das ist der Augen­blick.…” Namas­té E.

    1. Lie­be Eva,

      ich freue mich, dass Dir mei­ne Vide­os immer mal wie­der eine Inspi­ra­ti­on auf Dei­nem Weg sein kön­nen. Du liegst mir sehr am Her­zen und Du bist für mich eine Licht­säu­le – ein Geschenk an die Menschheit 

      Alles Lie­be,
      Dirk.

  4. Die­ses Video ist unglaub­lich kraft­voll und berührt mich jedes Mal ganz tief. Was das gegen­sei­ti­ge spie­geln angeht, fin­de ich inter­es­sant, dass sich ein Mensch ent­we­der gar nicht auf mich ein­las­sen will oder mich dann so sehr mit Zunei­gung über­schüt­tet, dass es für mich nicht mehr attrak­tiv ist und ich die Flucht ergrei­fe. Ich sel­ber wün­sche mir jedoch den „mitt­le­ren“ Weg zu gehen: Mich voll und ganz einlassen,gleichzeitig aber nicht zu klam­mern und zu besit­zen. Dies scheint jedoch gar nicht so ein­fach zu sein…. Ich mer­ke näm­lich, dass ich sel­ber hin und her geris­sen bin zwi­schen mei­nem Wunsch und mei­ner Bereit­schaft und manch­mal nicht weiß, ob es nun die Bedürf­tig­keit ist, die sich mel­det, oder die Lie­be. Ich mer­ke aber auch, dass sich momen­tan alles in mir wie neu zusam­men­setzt und dass ich ein­fach gedul­dig sein darf. Es wird sich alles von selbst zei­gen und erge­ben. Dan­ke Dirk!

    1. Lie­be Nadi,

      und es gibt auch gar kei­ne „Ant­wort” auf Dei­ne Fra­ge­stel­lung, son­dern nur – so wie Du es ja auch tust – ein bestän­di­ges for­schen an die­sen Fra­gen. Die­se For­schung kommt auch nie zu einem „glück­li­chen Ende”, son­dern geht immer wei­ter, immer tie­fer, wird immer fei­ner. Die­se Lust am for­schen zu ent­de­cken, das ist das Geheim­nis des Lebens…

      Alles Lie­be,
      Dirk.

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