Verliebtheit und Liebe – gibt es da einen Unterschied?
Ist das dasselbe?
Oder eben gar nicht?
Ja, oder eben gar nicht ist die knappe, erschütternde Wahrheit.
Aber noch erschütternder ist es, dass in unserer Gesellschaft der allgemeine Irrglaube vorherrscht, dass Verliebtheit die höchste und einzige Form des partnerschaftlichen Miteinanders ist.
Dieser Irrglaube wird heutzutage hauptsächlich über Medien aller Art geschürt: Bücher, Filme, Musik… egal was man hernimmt, alles handelt davon, dass es eigentlich nur dann „Liebe” ist, wenn es kompliziert, schmerzhaft und flüchtig ist. Ich behaupte, dass die allermeisten Menschen noch nicht erlebt haben, was „wahre Liebe” – vor allem in partnerschaftlicher Sicht – wirklich ist. Sie werden nie die Hürde der „Verliebtheit” nehmen und dadurch nie wirklich den goldenen Segen einer Liebesbeziehung erfahren können.
Was ist also der Unterschied zwischen Verliebtheit und Liebe?
Nun – ganz einfach: Das eine steht für unsere animalische Primatenseite, das andere für unsere spirituelle Göttlichkeit.
Verliebtheit ist etwas Biologisches:
MANN trifft FRAU. Er zeigt, was für ein toller Ernährer und Beschützer er ist, indem er seinen tollen Body präsentiert – oder seine Platincard oder was auch immer…
Sie zeigt, was für eine tolle Zeugungs- und Aufzuchtmaschine sie ist, indem sie ihre Stilldrüsen zur Schau stellt und ihr gebährfreudiges Becken. Man folgt einem bestimmten Paarungsritual, er erschlägt alle Konkurrenten und sperrt sie in seiner Höhle ein.
Und sie kratzt allen Konkurentinnen die Augen aus und zetert, wenn er die Höhle verlässt.
Naja, das ist jetzt ein wenig überspitzt, aber eigentlich beschreibt es schon ganz gut die biologische Basis der Verliebtheit.
Das Verliebtheitsgefühl hat im übrigen extrem viel mit drogeninduzierten Gefühlen zu tun. Man sehnt sich ständig nach dem anderen, kann nicht schlafen, kaum essen und wenn man mit dem anderen zusammen ist, ist alles rosarot und perfekt. Genau wie bei Heroin. Und genau wie bei Heroin, bricht dieser Teufelskreislauf natürlich früher oder später zusammen und endet im Drama. Bei Heroin ist uns das klar, aber bei der Verliebtheit, wo es genauso offensichtlich ist, versagt unser gesunder Menschenverstand.
Die meisten Menschen glauben allen ernstes, dass man nur DEN oder DIE Richtige finden muss und schon könnte man ewig in diesem rosaroten Himmel verweilen. Und wenn der Himmel dann immer wieder zur Hölle wird, sucht man sich immer wieder den nächsten Menschen – verdammt es muss doch irgendwann einmal klappen???
In den Filmen klappt es doch auch…!? Am Ende bekommt der Held seine Prinzessin und sie leben happily ever after…
Doch leider gehen diese Filme nie weiter. Was ist denn mit dem Film-Traum-Paar einige Jahre später? Gebe es diese Fortsetzung, sähe sie vielleicht in etwa so aus:
Ja – und wo hat das denn angefangen? Nun, ganz ähnlich wie bei den Drogen: Die ersten Koks- oder Heroinerfahrungen sind spektakulär. Jeder Junkie in Deiner Nachbarschaft kann Dir das bestätigen: Es ist das geilste, was man überhaupt fühlen kann. Da kommt nichts dran, außer vielleicht das Verliebtsein. Doch nach einigen Wochen ist Heroin gar nicht mehr so cool. Es verschafft kaum mehr ein High, es bewahrt allerhöchtens noch vor dem Low – für ein paar Momente. Die Droge hat Dich mit dem Hochgefühl verführt und dann versklavt.
Und ganz ähnlich ist es eben auch mit der Verliebtheit: Die Primaten-Emotionen in Dir verführen Dich mit diesem Gefühl, man wird davon abhängig, verliert sich selbst und seine Freiheit und ehe man sich recht versieht ist der Traumprinz zum Alptraumfrosch geworden.
Verstehe mich jetzt nicht falsch. An der Verliebtheit ist an sich nichts falsch, sie hat eine wichtige biologische Funktion. Sie rüttelt uns auf, sie gibt uns die Kraft, Altes und Verbrauchtes hinter uns zu lassen, aber wir dürfen nicht glauben, dass dieser emotionale Turboboost real wäre. Oder auf Dauer zu halten.
Dass wir der Illusion der Verliebtheit erliegen, zeigt sich daran, dass die vormals so rosarote junge Partnerschaft zu einer problematischen Beziehung wird. Das geschieht schrittweise und kann tatsächlich schon in den ersten Tagen oder gar Stunden seinen Ursprung haben. Wir empfinden dann unser Leben ohne den Anderen als leer und wollen den Anderen so gut wie möglich an uns binden. Wir beginnen damit, den Anderen in seiner Natürlichkeit und Freiheit beschneiden zu wollen und lassen es zu, dass der andere Mensch uns selbst demontiert.
Es zeigen sich die ersten emotionalen Erpressungen: „Ich halte das einfach nicht aus, dass Du laberlaberlaber. Entweder Du lässt das, oder ich muss mich trennen.” Mit solchen Sprüchen wird nur getestet, ob der andere erpressbar ist. Es hat einiges von dem kindischen Verhalten: „Ich halte jetzt so lange die Luft an, bis Du mir ein Eis kaufst.”
Und lass Dir gesagt sein: Wenn Du an diesem Punkt einknickst – sei es, dass DU Forderungen an den Anderen stellst, oder sei es, dass Du den Forderungen des anderen Menschen nachgibst, ist in dem Moment die Möglichkeit auf wahre Liebe zwischen euch gestorben. Die junge Knospe wurde einfach vom Affen in Dir plattgetreten. Du bist der Angst erlegen und die Liebschaft wird über kurz oder lang erlöschen – entweder im Drama, oder in der Resignation.
Aber wie zeigt sich die wahre Liebe? Wie erkenne ich sie? Und wie kann ich sie erlangen?
Nun die Frage ist sehr leicht zu beantworten und ich beginne mit der letzten Frage: Wie kann ich sie erlangen?
Das ist nicht möglich, sie ist ja eh ständig als Potential da. Ich muss es einfach nur vermeiden, sie zu verunmöglichen. WIE halte ich einen Fluss sauber? Indem ich ihn nicht über die Maßen verschmutze – so einfach ist das.
Wann immer eine Partnerschaft beginnt Leid, Komplikationen und Kompromisse hervorzubringen, hat es nichts mehr mit Liebe zu tun. Der Weg zur Liebe kennt sicherlich Herausforderungen und Stolpersteine, doch die Liebe selbst ist immer von ein- und demselben Gefühl getragen: Stille Freude, Harmonie und Vertrauen.
Und in dieser Weise kann dann auch Wachstum stattfinden – nicht indem ich dem Anderen die Dinge verbiete oder abspenstig mache, die mich herausfordern. Sondern indem ich ihn oder sie ganz so lasse, wie er oder sie IST.
Es ist aus dieser Sicht völlig irrelevant, ob der Partner bei mir bleibt. Es ist viel, viel wichtiger, dass er bei SICH bleibt und ich bei MIR.
In der Weise findet dann nach und nach eine immer tiefere Begegnung zwischen den beiden Menschen statt – Liebe, Freundschaft und Vertrauen erblühen, wie die Knospen im Frühling.
Mal verbringt man mehr Zeit mit dem Anderen, mal weniger.
Mal ist man vielleicht der einzige Liebespartner des Anderen, mal nicht. Die Konstellation ist dann nicht mehr wichtig. Es zählt nur noch, ob die gelebte Konstellation WAHR ist. Und wer das auch nur einmal wirklich und wahrhaftig erfahren hat, wird nie wieder eine andere Art der Partnerschaft in Erwägung ziehen… naja, bis er sich vielleicht wieder verliebt… *lach*
Du hast es also in der Hand:
Liebesglück oder Beziehungsdrama.
Mut zum Wachstum und dafür alles aufs Spiel setzen oder Angst vor Veränderung und dafür faule Kompromisse eingehen.
Es liegt in Deiner Hand – wofür entscheidest Du Dich?
Alles Liebe,
Dirk Liesenfeld.