Ich war für eine Woche im Urlaub, wir haben eine Schnee­wan­de­rung mit Schnee­schu­hen quer durchs Rie­sen­ge­bir­ge gemacht. Von Har­r­a­chov bis Mala Upa.
Nur Mini­mal­ge­päck haben wir mit­ge­nom­men: Ben­zin­bren­ner um Schnee zu schmel­zen. Tee, Tüten­sup­pen und Kakao um aus dem Schmelz­was­ser uns zu ver­sor­gen. So manch­mal kom­men mir so selt­sa­me Anwand­lun­gen – mich sehnt es dann wohl danach wie­der das Ursprüng­li­che, das Wesent­li­che zu spü­ren. Auf Luxus zu ver­zich­ten um eine ganz neue Art von Luxus wie­der zu entdecken.

dirk_schnee1Und das wur­de mir auch zu Teil: Nach­dem es die ers­ten zwei Tage sehr kalt und grau war, zeig­te sich am drit­ten Tag der strah­lend blaue Him­mel und wir stapf­ten vol­ler Genuß durch den tie­fen Pul­ver­schnee. Welch eine Schön­heit, was für ein Geschenk. Mit­ten in der Wild­nis ent­de­cken wir auf ein­mal Spu­ren im jung­fräu­li­chen Schnee: Ein Fuchs. Er kam von links aus dem Wald – kann nicht lan­ge her­ge­we­sen sein – und trot­te­te ent­lang des Pfa­des, den wir auch gehen. Wei­ter vor­ne sieht man sei­ne Spu­ren wie­der im Wald ver­schwin­den. Scha­de – ich hät­te ihn ger­ne gese­hen. Und dann mit­ten auf dem Weg liegt etwas – der Fuchs muss es wohl fal­len gelas­sen haben, viel­leicht über­rascht durch unser herannahen?

Ich schaue näher hin, glau­be nicht, was ich sehe, bli­cke erneut hin und kann es immer noch nicht glau­ben. Da liegt im Schnee eine mensch­li­che Hand. Es ist kein Zwei­fel mög­lich, wir betrach­ten sie von allen Sei­ten, heben sie vor­sich­tig auf: Fin­ger, Fin­ger­nä­gel und sie wur­de fein säu­ber­lich abe­trennt, eine unglaub­lich glat­te Schnitt­flä­che. Sie ist gefro­ren und offen­sicht­lich im fort­ge­schrit­te­nen Verwesungszustand.

Was tun? Wir kra­men die Not­fall­num­mern her­aus, die wir vor­sorg­lich vor Antritt der Rei­se notiert hat­ten. Zuerst die Berg­wacht. Die ist nicht wirk­lich interessiert:
„You have a bro­ken hand?” fra­gen sie in kaum ver­ständ­li­chem Englisch.
„No, we FOUND a hand” ant­wor­ten wir.
„You FOUND a hand? – Call the police”
Aufgelegt.

baeumeDie Poli­zei hilft uns aber auch nicht wei­ter, sie ver­ste­hen uns nicht, weil wir kein Tsche­chisch spre­chen und sie kein Deutsch oder Eng­lisch. Wir wis­sen noch nicht­mal ob der am ande­ren Ende von der Poli­zei ist oder wir uns ver­wählt haben. Wir sind rat­los. Da hören wir ein Moto­ren­ge­räusch und in der Fer­ne sehen wir einen Motor­schlit­ten her­an­brau­sen, was für ein glück­li­cher Zufall. Wir machen uns durch win­ken auf­merk­sam, der Fah­rer bemerkt uns und hält bei uns, er spricht gebro­chen unse­re Spra­che. Wir zei­gen ihm unse­ren Fund, er schaut ihn sich an und meint „das kein Mensch Hand. Ist von Tier…”
Ein Tier? Mit Fin­gern? Der Yeti?
Er will ganz offen­sicht­lich mit der gan­zen Sache nichts zu tun haben, nimmt auf unser Drän­gen die Hand, wirft sie in den Stau­raum unter der Sitz­bank und braust davon. Ich ver­mu­te, daß er sich des Fun­des wie­der an der nächs­ten Abbie­gung ent­le­digt hat.

Wir blei­ben zurück in der Natur und viel bewegt sich in mir.
Die Natur hin­ge­gen ist wie­der still und unbe­fleckt – gera­de so, als hät­te das alles nie stattgefunden.

Alles Lie­be,
Dirk Liesenfeld

1 Kommentar zu „Urlaub?“

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