Die Sucht nach Frauen
Einer unserer Seminarteilnehmer (den Namen habe ich natürlich geändert) schickte mir heute früh folgende Email. Ich finde sie sehr spannend, weil ich glaube, dass so mancher sich damit gut identifizieren kann.
Deshalb habe ich sie hier veröffentlicht und auch meine Antwort dazu.
Lieber Dirk
Mir ist heute nochmal viel tiefer aufgegangen, wie sehr ich von Ines bzw. früheren Frauen abhängig, ja wirklich süchtig bin. Das ist sowas von krass und erschreckend. Wirklich, ich bin richtig erschrocken darüber.
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann und welcher Frau ich zum ersten Mal gesagt habe, dass ich sie liebe. Aber es war vermutlich plötzlich ein irres, vorher noch nicht so erlebtes Gefühl da, von dem ich ja keine Ahnung hatte, was es ist, und da hab ich dann vermutlich gedacht: Jau, das muss diese Liebe sein, von der man immer hört und spricht. Also nenne ich dieses Gefühl jetzt so. Es muss das ja sein und romantisch ist es auch.
Ich habe das nie wirklich hinterfragt.
Meine 1.Freundin sagte mal zu mir: „Soll ich Dir zeigen, wie sehr ich Dich liebe?” Und dann hat sie mir einen geblasen.… Ergo: immer, wenn sich etwas ganz toll anfühlt, muss es Liebe sein. Und dann „musste” ich diese Frauen immer ganz für mich allein haben und versuchen, sie an mich festzubinden, damit ich diesen Kick immer wieder haben kann. Und dann immer die Angst, sie könnten ja vielleicht abhauen…au weia, und dann? Und dann ist das auch noch so oft passiert.…
Immerhin kann ich sagen, dass mir diese Frauen, an die ich jetzt denke, nach wie vor wertvoll sind und ich sie auf einer gewissen Ebende vielleicht wirklich „Liebe” oder „geliebt” habe.
Aber das vorherrschende Gefühl während der Beziehungen.…hmmm.…hat wirklich mehr mit meiner Bedürftigkeit zu tun. Ich weiß ja gar nicht, was eigentlich echte Liebe wirklich ist. Woher auch?
Beim Seminar, während der 2. Atemmeditation und beim 2. Schwitzhüttengang hatte ich dieses irre warme, starke, helle, glückliche Gefühl, was ich bisher in dieser Intensität noch nicht kannte. Als Bezeichnung fiel mir wieder das Wort Liebe ein.
Aber ist das Liebe?
Uff-ich bin verwirrt.
Auf jeden Fall bin ich froh, dass mir das alles ein kleines Stück klarer geworden ist und ich den ganz tiefen Wunsch spüre, erstmal Frauenclean zu werden. Ich ahne, dass das ein langer, sehr steiniger Weg sein wird. Oje- und das im Frühling und wir sprechen hier von Frauen. Nicht von stinkenden Kippen, Bier oder Espresso. Frauen.…mit schönen Gesichtern, Beinen bis zum Po, Muschi und Titten. Ahhhh…
Bis bald!
Umarmung
Reiner.
Den nachfolgenden Text gibt´s auch gesprochen.
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[audio:sucht.mp3]
Lieber Reiner,
eine schöne Spur, die Du da verfolgst und sehr mutig, dass Du Dich nun an diese „heilige Kuh” herangeschlichen hast. Doch wenn Du nun diese heilige Kuh schlachtest, wird sie Dir keine Milch mehr geben.
Und es wird dann auch nur kurze Zeit dauern, bis die nächste heilige Kuh in Dein Leben tritt – vielleicht in Form eines heiligen Schweines oder eines heiligen Sojafeldes, um mal in diesem Bild zu bleiben.
Konkret meine ich damit, dass es zwei Arten von Sucht gibt:
Es gibt die „klassische” Sucht, also den Süchtigen, der von etwas abhängig ist und dieser Sucht fröhnt; vielleicht noch scheinbar frei, vielleicht schon im Suchtdruck; vielleicht einigermaßen balanciert, vielleicht aber auch schon offensichtlich im Kampf.
Es gibt aber auch noch die „versteckte” Sucht, also den Süchtigen, der „entzogen” hat und nun abstinent vom Suchtmittel lebt. Er ist noch immer süchtig, doch hat sich diszipliniert. Meist sucht (!) man sich dann unbewusst einen Ersatz: Aus Zigaretten werden Kaugummis, aus Frauen wird Internet, aus Heroin wird Zucker… was auch immer.
Was gilt es nun also zu tun? Wenn Du nun also einfach die Frauen mit den langen Beinen weglässt, wirst Du keinen Frieden finden. Wenn Du sie weiter (be-)nutzen würdest, wie in der Vergangenheit, auch nicht. Was es früher oder später für jeden Süchtigen (und dazu gehören 99,9% der Menschen) braucht, ist das „durchdringen” der Sucht. Also den hochbewussten Umgang mit dem Suchtmittel. WAS sind meine Suchtmittel? WANN brauche ich sie? WIE wirken sie in mir?
Du bist die ersten Schritte in dieser Richtung schon gegangen und vertraue da jetzt einfach darauf, dass es das Leben gut mit Dir meint. Sei so wachsam, wie es Dir möglich ist im Umgang mit Frauen. Lerne den Kontakt mit Frauen WIRKLICH zu genießen. Wie geht das überhaupt? Wie ist für Dich ein Umgang mit Frauen möglich, der Dich (und damit auch die Frau) auf allen Ebenen voll und ganz nährt? Lass Dich GANZ (mit Leib und Seele) auf die Frauen ein, halte nichts, nichts zurück. Und dann komme immer wieder GANZ zu Dir selbst zurück, indem Du Dich völlig frei machst von der Bindung.
Ent-wicklung ist der Schritt aus der Ver-wicklung heraus. Umgekehrt heißt das doch: Ohne vorherige Verwicklung, gäbe es keine Entwicklung, oder? Verwickel Dich also, bis es Dir schwindelig wird und dann vergesse aber nicht den Entwicklungsschritt dabei.
Das Leben ist eine Kunst, die gelernt werden will und wie öde wäre es, wenn es dabei nichts Neues gäbe oder? Das wäre doch wie ein Leben lang die erste Grundschulklasse zu besuchen!
Forsche weiter und höre nicht auf, bis dieses „strahlende Gefühl” (eigentlich ist es ja eine innere Leichtigkeit, oder nicht?) ein Dauerzustand geworden ist. „Was ist Liebe” ist dabei eine sehr, sehr dienliche Frage auf diesem Weg. Eine Frage die nie beantwortet werden kann, Dich aber immer tiefer führt.
Alles Liebe,
Dirk Liesenfeld.