Schon wieder ein Text über Sex!
Oder: Warum Sexualität die vielleicht missverstandenste Sache der Welt ist.
Nun – ich habe ja schon einige Videos und sogar DVDs über Sexualität gemacht und man könnte meinen, dass darüber alles gesagt und geschrieben wurde, was man nur sagen und schreiben kann. Doch ein Aspekt der Sexualität wird leider häufig ausgespart. Ein Aspekt, der sehr stark mit Moral und Tabu behaftet ist. Und dieses Video ist eines, welches vermutlich die Meinungen teilen wird.
Das, worüber ich nun hier spreche, wird Dich möglicherweise sehr herausfordern und darauf reagieren die allermeisten Menschen mit Abwehr, Wut und – manchmal sogar – mit offener Agression.
So, jetzt habe ich es aber spannend gemacht.
Doch es ist ein heikles Thema. Ich habe das schon mehrfach von Außen erlebt – am deutlichsten bei einem großen, weisen Menschen, der mir sehr am Herzen liegt: Samuel Widmer.
Manche kennen ihn vielleicht, manche nicht. Er hat vor vielen Jahren auch ein Tabuthema aufgegriffen: Den Inzest – also die sexuelle Beziehung zwischen eng verwandten Menschen. Seine Meinung dazu war NICHT, dass Inzest toll ist. Doch seine Meinung war, dass es auch so etwas gibt, wie den sogenannten „ehrbaren Inzest” und dieser nach seiner Erfahrung in vielen Fällen ebenso schreckliche Konsequenzen haben kann, wie der brutal vollzogene Inzest.
Was ist nun der „ehrbare Inzest”? Nun, wenn ein Kind zum Jugendlichen wird, dann gibt es eine Phase, in welcher in dem jungen Menschen die Sexualität erwacht. Das Mädchen wird zur jungen Frau, der Knabe zum jungen Mann. In dieser Zeit sind die Eltern und manchmal auch die Geschwister damit konfrontiert, dass sich in diesem – ja ich nenne es jetzt mal – „Halbkind” sexuelle Regungen zeigen. Und sehr oft richten sich diese zu allererst auf die Eltern oder andere ihm nahestehende Verwandte.
Der junge Mann testet seine neue Gabe – in aller Unschuld – oft in Richtung Mutter und das junge Mädchen oft in Richtung Vater. Manchmal auch in Richtung der Geschwister, oder eines Onkels bzw. einer Tante.
Das erschreckt die meisten erwachsenen Menschen sehr – sie können damit nicht umgehen und es ist noch dazu in nahezu allen Kulturen schlichtweg verboten. Was tun? In den meisten Fällen läuft es dann so ab, dass die überforderten Erwachsenen so reagieren, dass großer Schaden in der sexuellen Entwicklung der Kinder passiert. Entweder es passiert der sogenannte „brutal vollzogene Missbrauch”, oder die komplette Zurückweisung der kindlichen Sexualität und damit meist eben leider der Abbruch der Beziehung zwischen Vater und Tochter, zwischen Mutter und Sohn.
Und letzteres ist – nach Meinung von Samuel Widmer – ebenso schädlich wie ersteres.
Was tun? Darauf gibt Samuel Widmer keine pauschale Antwort, weil es keine geben kann.
Eigentlich plädierte er immer wieder nur dafür, dass Eltern und die Gesellschaft sich diesem Thema stellen sollten und dass man darüber sprechen sollte. Das es diese Thematik überhaupt gibt. Das war eigentlich alles.
Doch alleine das Anrühren dieser Thematik löste einen Orkan der Entrüstung aus. Was danach folgte gleicht einer modernen Hexenverfolgung und hat mit Menschlichkeit nicht mehr viel zu tun. Ich habe das streckenweise verfolgt und dachte mir immer: „Hey Wahnsinn. Das gab es vor 2000 Jahren schonmal. Da hat jemand gesagt: >Wow, Leute – Liebe ist echt toll< und ist dafür ans Kreuz geschlagen worden.
Ah – jetzt schweife ich aber ein wenig ab…
Ich wollte eigentlich über etwas anderes sprechen – aber das hier finde ich jetzt auch recht spannend.
Aber zurück zum Thema.
Das Problem mit der Sexualität ist, dass die allermeisten Menschen sie nicht als das sehen, was sie ist.
Entweder sie wird bagatellisiert oder vergöttert. Entweder sie ist kaum mehr als eine Körperübung zur Lustbefriedigung, oder sie ist kaum weniger, als eine heilige Handlung. Beides dient jedoch nur der inneren Abwehr.
Verstehst Du?
Nehmen wir mal als Beispiel zwei fiktive Menschen: Madana und Axel
Madana ist eher so von spiritueller Natur, Axel eher so der Typ Bauarbeiter.
Axel kommt abends vom Bau, will sich nochmal schnell über seine Tussi rüberrollen, ein Bierchen zoschen und dann schlafen. Damit findet keine tiefe Verbindung statt – zwischen ihm und seiner Partnerin. Es fehlt die Tiefe.
Madana dagegen hat den ganzen Tag meditiert und bevor sie sich mit ihrem sogenannten Seelenpartner trifft, singt sie noch ein Mantra, damit sie gut in ihrer energetischen Mitte bleiben kann. Sie ist sehr damit beschäftigt, dass wirklich alles stimmig ist und durchgängig mit ihrer Schoßraumenergie verbunden. Auch so findet keine Verbindung statt. Es fehlt die Wildheit.
Was ist also die Sexualität tatsächlich?
Sie ist nicht mehr und nicht weniger als das Bindeglied zwischen unserer arachaischen Menschlichkeit und unserer esoterischen Göttlichkeit.
Die Sexualität so betrachten zu können, erfordert einen riesigen Spagat.
Einerseits muss ich in der Lage sein, mich für die feinen Energien zu öffnen – also eben für meine tiefsten Gefühle, für meine Empathie, für meine Liebesfähigkeit. Andererseits ist eben dies für den Wildheitsaspekt der Sexualität fast schon eine Zwangsjacke. Wie kann mir also gleichzeitig all das – ich sage jetzt mal – „Gefühlsduselige” grade mal wurscht sein? Die Wildheit der Sexualität will sich einzig und alleine dem Körperlichen hingeben. Sie will sich körperlich austoben und das Gegenstück zum restlichen kontrollierten Leben sein.
In der Sexualität vereinen sich alle Anteile von mir miteinander:
Mein unschuldig-verspieltes Kind,
mein wilder Jugendlicher,
mein reifer Erwachsener.
Und auch meine scheinbaren Gegensätze:
Meine Göttlichkeit und meine Menschlichkeit.
Meine Heiligkeit und meine teuflische Seite.
Meine Reinheit und meine Verderbtheit.
Kann ich all das da lassen, findet all das in mir Platz, so erlebe ich eine Art von Sexualität, die anders nie möglich wäre. Die meisten Menschen werden das nie in ihrem Leben erleben.
Aber warum nicht?
Weil es sehr viel Mut braucht, sich all diesen Elementen in Dir zu stellen. Es ist leicht – so wie Axel – einfach nur zu vögeln. Es ist nicht viel schwerer auf einer spirituellen Welle zu surfen und gar nicht mehr im natürlichen Menschsein zu weilen.
Aber beides zusammen ist eben eine tolldreiste Angelegenheit. Es ist einerseits die Öffnung für all das Sensible und Verletztliche in Dir und andererseits das Einlassen auf das Grobe und Wilde.
Vielleicht wird es an einem Bild deutlicher: Elfen in einem Raum mit feinstem Porzellan sind unproblematisch. Elefanten in einem Tal voller Steine auch. Aber wer würde schon freiwillig den Elefanten in den Porzellanladen lassen? Was da alles passieren kann?
Und tatsächlich geht es auch vielen Menschen so, wenn sie sich anfangen auf den Weg der Selbsterkenntnis zu machen. Tatsächlich ist die Sexualität der allerbeste Gradmesser dafür, wo ich auf meinem Weg der Liebe stehe und wenn ein Axel auf einmal sich in der Sexualität berührbar macht und öffnet für die vielen Millionen sanften Nuancen in ihm – das ist richtig heftig.
Und wenn eine Madana sich auf einmal traut wieder auf das Menschlich-Körperliche einzulassen, macht das einfach Angst – das kann richtig bedrohlich und schmerzhaft grob wirken zu Beginn. Und das macht dann so vielen Menschen Angst und sie gehen dann lieber wieder zurück in die Isoliertheit, weil sie sich darin vertrauter und geborgener fühlen.
Und daran ist ja auch nichts falsch.
Es ist dort halt einfach nicht so lebendig, wie es sein könnte.
Für mich ist die Sexualität in ihren vielen Nuancen etwas alltägliches. Wie die schönen Blumen, die ich so häufig sehe. Oder die beeindruckenden Wolken am Himmel. Oder die Sonne in ihrer unfassbaren Schönheit. Die Sexualität ist für mich alltäglich und doch so unfassbar schön, wie das Wunder des Lebens. Und deshalb genieße ich dieses göttliche-irdische Geschenk mit allen Sinnen und in religiöser Inbrunst.
Dies mit anderen Menschen zu erleben ist für mich gelebtes Tantra und manchmal werde ich gefragt: Wenn Du mit vielen Frauen Sex hast – ist dann überhaupt jede einzelne für Dich etwas besonderes?
Und meine Antwort ist dann: Jede Begegnung ist für mich absolut in meinem Einlassen und dennoch etwas ganz selbstverständliches. So selbstverständlich und dennoch Einzigartig, wie die Blumen am Weg, die Vögel in den Bäumen und die Sonne am Himmel. Es ist Vielfalt und Fülle.
Sexualität ist damit in ihrer tiefsten Essenz die Fähigkeit sich ganz selbstverständlich, ohne jede Begrenzung mit Körper, Geist und Seele einzulassen auf mich und mein Gegenüber gleichzeitig.
Alles Liebe,
Dirk.