Das neue Jahr hat begon­nen, der All­tag scheint wie­der zurück­ge­kehrt zu sein. Ges­tern hör­te ich eine Frau sagen: „Naja, jetzt ist ja das gan­ze Tamm-Tamm end­lich vor­bei (sie mein­te Weih­nach­ten und Neu­jahr) und wir ham wie­der den ganz nor­ma­len grau­en Alltag.”
Einen ähn­li­chen Satz höre ich auch oft bei Semi­nar­teil­neh­mern in der Abschluß­run­de: „Mensch, wie schön es hier ist, ich füh­le mich so warm inner­lich. Am meis­ten beschäf­tigt mich jetzt, daß ich gleich wie­der zurück in den All­tag muss.” Man­che haben sogar rich­tig Angst davor. Wir sagen dann oft sowas wie: „So, wie Du Dich jetzt gera­de fühlst, also die Wär­me und Gebor­gen­heit, die­se inne­re Kom­plett­heit und Ruhe – das ist wie Du eigent­lich vom Leben gemeint bist.”
Dann schau­en uns die Teil­neh­mer oft ungläu­big an und in den Augen steht sowas geschrie­ben wie: „Das glaubst Du doch selbst nicht, Alter.”

Die wich­tigs­te Fra­ge, die sich hier stellt liegt ja eigent­lich auf der Hand: Was unter­schei­det den „All­tag” vom „Semi­nar-Abschluß­run­den-Emo­tio­nal­zu­stand” (tol­les Wort). Wenn man hier genau nach­fühlt wird es leicht deutlich:
Der eine Zustand ist Ein­heit: Kör­per, See­le und Ver­stand gehen Hand in Hand – sind bes­te Freun­de und ergän­zen sich vor­züg­lichst. All­tag bei den meis­ten Men­schen ist dage­gen eher geprägt von einem stän­di­gen Rin­gen der „Drei­fal­tig­keit” in einem, oder nicht?

Ein Bei­spiel:
Quelle: WikipediaEs ist sechs Uhr mor­gens, der Wecker klin­gelt. Müde schält sich Otto (Nor­mal­ver­brau­cher) aus dem Bett.
Der Kör­per signa­li­siert ver­zwei­felt: „Ich bin müde, ich bin müde, ich bin müde…”
Der Ver­stand sagt in küh­ler Logik: „Ich muss auf­ste­hen, muss zur Arbeit, soooooonst… (dro­hern­der Unterton)”
Das Emo­tio­nal­sys­tem, qua­si die Puf­fer­zo­ne zwi­schen Kör­per und Ver­stand, reagiert prompt mit Panik, Enge, unan­ge­neh­men Gefühlszuständen.
(Ich habe mal den Satz gele­sen: „Gefüh­le sind die Rei­bungs­schmer­zen zwi­schen dem mensch­li­chen Wil­len und dem Leben. Oder anders gesagt: Da, wo wir dem Leben, also dem, was IST unse­ren Wil­len auf­zwän­gen wol­len, da ent­ste­hen schmerz­vol­le Emo­tio­nen. Oder noch­mal bud­dhis­tisch ange­haucht: „Kein Ich, kei­ne Probleme”.)

Aber zurück zu Otto:
Natür­lich nimmt er – wie jeden mor­gen – die quä­len­den Gefüh­le in sei­nem Kör­per wahr, doch mit schlaf­wand­le­ri­scher Sicher­heit reagiert er wie jeden Mor­gen mit einer Tas­se Kaf­fee, die das alles über­deckt (kann auch eine Ziga­ret­te, Zucker, Arbeit… sein)
Nun, eigent­lich geht es dann so auch den gan­zen Tag wei­ter, bis hin zum abend­li­chen Fern­seh­pro­gramm mit den Chips oder dem Bier oder der Schokolade…

Es ist nichts an sich „falsch” dar­an, so zu leben – Mil­li­ar­den Men­schen auf dem gan­zen Glo­bus tun es. Doch ich glau­be, daß in die­ser Dis­kre­panz zwi­schen „All­tag” und „Semi­nar-Abschluß­run­den-Emo­tio­nal­zu­stand” der Schlüs­sel liegt zum … (Oh Gott, wie sage ich es jetzt nur um nicht pathe­tisch zu klin­gen) … inne­ren Frie­den und damit zum Welt­frie­den. (Mist, jetzt ist es raus und es klingt pathetisch)

Der größ­te Durch­bruch in mei­nem Leben – qua­si die ers­te „Erleuch­tung” – ent­stand in mir an einem Semi­nar-Sonn­tag-Abend. Es war ganz viel Lie­be im Raum, es war vor allem ganz viel Lie­be in mir und da frag­te ich mich: Was ist eigent­lich Lie­be? Und spür­te eine ganz ein­fa­che Ant­wort: Lie­be ist Ein(s)heit. Ein­fach nur die Abwe­sen­heit von Kampf. Eigent­lich das ein­fachs­te auf der Welt.
Es kam dann eine Art gött­li­che Fügung über mich, die ganz gewis­se inne­re Absicht: Ich wer­de alles tun, was es braucht um das in mein Leben zu las­sen. Ich weiß zwar nicht wie das geht, aber ich wer­de nicht ruhen, bis ich es her­aus­ge­fun­den habe. Der Weg danach ist unend­lich stei­nig, vol­ler Schmer­zen und Ängs­te – doch es ist ein loh­nens­wer­ter Weg. Es ist der ein­zi­ge Weg, der wirk­lich Sinn macht, denn die Beloh­nung ist ein dau­er­haf­ter Seminar-Abschlußrunden-Emotionalzustand 

Alles Lie­be,

Dirk.
www.Liesenfeld.de

3 Kommentare zu „Neu­jahr“

  1. Lie­ber Dirk,

    es ist schon erstaun­lich, wie sehr die Bei­trä­ge von Dir und Sarah die reich­hal­ti­gen Gefüh­le wach­ru­fen kön­nen, die in den Semi­na­ren hoch­ge­kom­men sind, sie klin­gen durch eure Tex­te nach wie der Klang einer Klangschale.
    Ganz lie­ben Dank für euren Blog, eine schö­ne Idee!
    Heu­te bin ich durch die Win­ter­land­schaft gelau­fen, es war so ein rich­ti­ge schö­nes Janu­ar­licht, und in mir schwang Dein Neu­jahrs­text. Es war so wie meist: der Ver­stand folgt dem Gefühl. Irgend­was rief in mir: „das ist für dich doch anders!”, aber es hat gedau­ert, bis ich das für mich kla­rer sehen konn­te. Zumin­dest ist es irgend­wie kom­pli­zier­ter, ich finds jeden­falls gar nicht einfach.
    Lie­be mag das Gegen­teil von Kampf sein. Aber das ist nicht alles. Kampf ist Ableh­nung, Lie­be ist Annah­me. Aber dann ist Lie­be auch die Annah­me des Kamp­fes in mir! Lie­be ist die Annah­me die­ses Dua­lis­mus und damit hat Lie­be für mich viel mehr mit Viel­falt als mit Eins­heit zu tun. Wie ja auch mei­ne Gefüh­le ins­ge­samt mit mei­nem Ver­stand so ein Paar bilden.
    In Tan­tra­se­mi­na­ren bin ich ALL die­sen Facet­ten von mir viel inten­si­ver begeg­net als im All­tag. Natür­lich lie­be auch ich die­sen Semi­nar-Abschluß­run­den-Emo­tio­nal­zu­stand (;-)), aber ich bin auch mei­nem wirk­li­chen Ver­stand und viel kla­re­ren Aggres­sio­nen begeg­net – eigent­lich in jedem Semi­nar. Und es war auch heil­sam Raum zu haben nach­zu­spü­ren, war­um mich eigent­lich etwas so rich­tig annervt.
    Ich hat­te nach kei­nem Semi­nar so ein Weh­muts­ge­fühl. Ich fühl­te mich eher aus­ta­riert, kom­plett. Ich woll­te die­se Kom­plett­heit hin­aus­tra­gen. Und es hat auch jedes Semi­nar andau­ern­de Ver­än­de­run­gen in mei­nem Leben bewirkt, bis heu­te – wie auch sonst.
    Welt­frie­den ist ein schwie­ri­ges Wort für mich. Aber Lie­be ist für mich nicht nur das Gegen­teil von Kampf, son­dern dar­über hin­aus die Annah­me von allem, was sonst in den Men­schen ist, in mir und in ande­ren. Die Lie­be zu mir ist wie ein Dach über allem in mir und ist somit ehr­li­che und kom­plet­te Annah­me, von mei­ner Zunei­gung, mei­ner Aggres­si­on, mei­nem Ver­stand, mei­nem Impuls. Das glei­che gilt für mein Gefühl ande­ren gegen­über. Der Weg zu die­sem Ziel, mich und ande­re so vor­be­halt­los anneh­men zu kön­nen ist für mich unheim­lich stei­nig. Aber auch das gilt es ja anzunehmen…;-)
    Ich dan­ke Dir sehr für Dei­nen tol­len Bei­trag, der schon über so vie­le Stun­den zurück­lie­gen­de Semi­na­re für mich so leben­dig gemacht haben. Ein unheim­lich schö­nes Gefühl!

    Lie­be Grüße,

    Tim

  2. Lie­ber Tim,

    es freut mich, daß Du den Text als Anlaß genom­men hast selbst zu den­ken, selbst zu hin­ter­fra­gen und vor allem Dich selbst zu spü­ren. Und Du bist da auch einer rich­ti­gen hei­ßen Fähr­te auf der Spur. Denn die Welt ist, wie sie ist. Da gibt es ein­fach unauf­hör­lich Kampf – nicht nur im ent­fern­ten Afri­ka, son­dern im ganz, ganz nahen Umfeld. Was mache ich damit? Was heißt „Frie­den” in die­ser Hin­sicht? Was bringt in die­ser Hin­sicht den Frie­den in mir?
    Ich dan­ke Dir für Dei­nen Mut Dich solch unbe­que­men Fra­gen zu stellen.

    Alles Lie­be,
    Dirk.

  3. Hal­lo Dirk!

    ja, auch ich habe die­sen „semi­nar ‑abschluss­run­den-emo­ti­ons­zu­stand” im tan­tra­se­mi­nar Okt./Nov. sehr stark gespürt, aber eigent­lich war die­ser zustand vom ers­ten tag an schon da. dar­in ward ihr bei­de sehr stark invol­viert, aber auch die gesam­te grup­pe, es stimm­te ein­fach alles.
    zumal, wenn man nach 12 jah­ren suche tief in sich etwas wie­der­ge­fun­den hat, aber zurück im all­tag mas­sivst bemerkt, dass man in die dua­li­tät zurück­ka­ta­pul­tiert wur­de. und in die­ser dua­li­tät ist man lei­der nicht allei­ne oder mit ähn­lich den­ken­den men­schen zusam­men, son­dern oft mit genau dem gegen­teil. und dann ist es ver­dammt schwer, die­se lie­be, die man erfah­ren hat, zu halten. 

    zu viel an ver­gan­gen­heit sind da bei sich und auch dem alten und neu­en gegen­über, ein­ge­schlif­fe­ne alte mus­ter „am werk” (auch wenn sie eigent­lich „über” sind, die aber aus gewohn­heit gehal­ten wer­den, da man nie­man­den ver­let­zen will, zumin­dest glaubt man das oder das gegen­über, ist davon über­zeugt, aber zwangs­läu­fig wird man immer jeman­den verletzen).
    und durch die­se alten mus­ter ver­passt man in sich und im ande­ren die lie­be, und das alles nur aus lau­ter rück­sicht­nah­me. und lie­ber der gan­zen welt sei­ne lie­be und auf­merk­sam­keit schenkt, sie für sich aber nicht in anspruch nimmt, dar­un­ter lei­det, dass man sie nicht lebt, aber man ent­sagt sich die dar­aus ent­ste­hen­de nähe und ver­letz­lich­keit zu leben, und kann sie aus lau­ter angst nicht zulassen.
    so schwankt man häu­fig zwi­schen „him­mel und hölle”.
    du hast recht dirk, lie­be ist ein­heit und die abwe­sen­heit von kampf. und auch wenn man glaubt, dies in sich und einem gegen­über gefun­den zu haben, sind da doch so vie­le hür­den zu über­win­den, denn man ist es eben nicht allein, der dua­le pol steht einem gegen­über, der sein inners­tes viel­leicht ein­fach nicht auf dau­er zulas­sen kann, es aus lau­ter rück­sicht­nah­me nicht zu leben ver­mag, nicht alle fes­seln abstrei­fen kann.
    und so geht es wahr­schein­lich hier auf unse­rer phy­si­schen erde nur dar­um, die­se lie­be, die­se ein­heit in sich zu fin­den und zu leben, wo es doch so wun­der­schön wäre, sie mit jeman­dem gemein­sam leben zu können.
    weißt du, ich sehe bei mei­nen pati­en­ten so oft die­ses „blö­de spiel” zwi­schen nähe und distanz, was die men­schen mit­ein­an­der spielen.
    lässt der eine die nähe zu, geht der ande­re auf distanz und umge­kehrt. war­um kön­nen wir es nur so schlecht zulas­sen, die lie­be gemein­sam zu leben, um sie so in die welt zu bringen.
    wie­viel leich­ter wäre die annah­me des phy­si­schen todes, um wie­viel leich­ter könn­ten wir in die­se alles­um­fas­sen­de lie­be, die uns nach dem tod erwar­tet, hin­über­glei­ten, wenn wir sie hier auf die­ser unse­rer erde schon ken­nen­ge­lernt oder gar gelebt hätten.
    aber ganz ein­fa­che blö­de zwän­ge, in die wir uns selbst nur bege­ben haben oder alte ver­hal­tens­mus­ter aus unse­rem fami­li­en­sys­tem hal­ten uns immer wie­der davon ab, in die lie­be zu gehen. und so ster­ben wir schon inner­lich lan­ge bevor der phy­si­sche tod eintritt.

    aber in der natur oder bei euren semi­na­ren bekommt man immer wie­der einen ein­blick, wie lie­be gelebt wer­den könnte.
    auch ich ver­su­che schon seit lan­ger zeit her­aus­zu­fin­den, wie es geht, in die­se ein­heit und die abwe­sen­heit von kampf zu gelan­gen, was mir aber bis­her noch nicht gelun­gen ist. es gibt immer wie­der momen­te, in denen ich das spü­re, aber die sind lei­der immer nur sehr kurz. ist zwar ein anfang, aber .….…

    namas­te
    mascha

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