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Mei­nes Vaters Tod

„Der Tod mei­nes Vaters”

Wie erin­ne­re ich mich an mei­nem Vater?
Mein Vater war das, was man wohl so „rau­he Scha­le, wei­cher Kern” nennt. Wenn man ihm begeg­net ist, erleb­te man zuerst sei­ne rau­he Scha­le; mein Vater hat­te erst­mal eine etwas rup­pi­ge Art. Barsch und leicht auf­brau­send. Es gab eine Zeit – vor allem als Jugend­li­cher – da hat mich das befremdet.
Wenn ich ihn zum Bei­spiel ange­ru­fen habe, dann begrüß­te er mich meist mit einem Satz wie:
„Ach, der Dirk. Ist ja auch mal nett, daß Du anrufst.”

Irgend­wann habe ich ver­stan­den, daß das sei­ne Art des Aus­drucks sei­ner Lie­be zu mir war. Denn mein Vater hat­te ein gro­ßes Herz und wer sich nicht von sei­ner rau­hen Scha­le abschre­cken ließ, durf­te dahin­ter einen sehr warm­her­zi­gen Men­schen erle­ben, der es oft nicht leicht im Leben gehabt hat.

Ich habe dann gese­hen, daß hin­ter dem Satz
„Ach, der Dirk. Ist ja auch mal nett, daß Du anrufst.
eine klei­ne Lie­bes­er­klä­rung stand. Ich konn­te den Satz für mich in sei­ne Gefüh­le über­set­zen, ich ver­stand ihn als:
„Mensch Dirk. Ich freue mich wirk­lich, daß Du anrufst und weiß gar nicht, wie ich die Freu­de dar­über aus­drü­cken soll.”

In den letz­ten Jah­ren hat­te ich nicht all­zu­viel Kon­takt zu mei­nem Vater. Wir haben gele­gent­lich tele­fo­niert und ab und an habe ich ihn besucht. Den­noch fühl­te sich – auch noch jetzt – der Kon­takt zu ihm fried­lich und kom­plett an. Er leb­te in sei­ner Welt, ich in der meinen.
Im Kon­takt mit mei­nem Sohn Noah erleb­te ich dann, daß vie­les von mei­nem Vater auch in mir steckt. Das Her­aus­for­dern­de genau­so, wie das Berüh­ren­de. Ich durf­te auch vie­le Situa­tio­nen, die ich mit mei­nem Vater als Kind erleb­te, aus mei­nes Vaters Posi­ti­on Noah gegen­über erfah­ren und habe mei­nen Vater dadurch auf eine noch­mals ande­re Art kennengelernt.

Es ist manch­mal nicht leicht in einer Welt wie die­ser ein gro­ßes Herz zu haben – zutiefst berühr­bar zu sein. Es ist so ver­füh­re­risch sei­ne aller­tiefs­ten Gefüh­le hin­ter einer abweh­ren­den Wand der Rup­pig­keit zu ver­ste­cken. Aber ist es nicht das, was uns mensch­lich macht?
Die Berühr­bar­keit und die Ehr­lich­keit damit umzugehen?

Mein Vater leb­te auf einem Cam­ping­platz in der Natur, die er so sehr lieb­te. Er nahm sich oft kein Blatt vor den Mund und sag­te das, was er dach­te. Man­che Men­schen konn­ten damit nur schwer umge­hen, damit macht man sich halt manch­mal kei­ne Freun­de. Doch genau das ist für mich eine Form von ehr­li­chem Umgang – ehr­lich und direkt.

Wenn ein Mensch stirbt, so lebt er nicht wei­ter in unse­rer Erin­ne­rung, denn Erin­ne­run­gen sind nur ein Echo der Vergangenheit.
Er lebt doch viel­mehr wei­ter in unse­ren Erfah­run­gen, die wir mit ihm haben. Denn die Erfah­run­gen haben uns Men­schen zu dem gemacht, was wir heu­te, jetzt in die­sem Moment sind. Und unse­re Erfah­run­gen sind das, was uns wei­ter aus­formt. Sie sind die Essenz des Lebens, in ihr leben all unse­re ver­stor­be­nen Freun­de und Ver­wand­ten in uns weiter.

Das Leben ist für mich eine end­lo­se Ket­te – begin­nend vor vie­len tau­sen­den von Jah­ren und hin­ein in eine fer­ne Zukunft. Eine Ket­te von Erfah­run­gen, die wir als mensch­heit­li­ches Erbe von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on wei­ter­rei­chen und in der wir zusam­men als eine Gemein­schaft auf die­sem Pla­ne­ten wach­sen und reifen.
Das ist für mich ein sehr tröst­li­ches und ver­bin­den­des Bild.

Ich dan­ke mei­ner Oma, die mei­nen Vater gebo­ren hat.
Ich dan­ke mei­ner Mut­ter, die mich gebo­ren hat.
Und ich dan­ke Sarah, die mei­nen Sohn Noah gebo­ren hat.
Ein klei­ner Ket­ten­strang unter unzäh­lig vie­len in die­sem Kosmos.
Aham Pre­ma. Amen.

Alles Lie­be,

Dirk.

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