Spiritualität in London
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London ist eine sehr interessante Stadt – sehr laut, vielfältig und schnell.Vielleicht am ehesten mit Paris oder New York vergleichbar; eine Weltstadt halt. Doch wenn man genauer hinsieht, zwischen den Zeilen liest, zeigen sich die Perlen. Kommt das Unerwartete zu Tage. Mir begegnet hier eine Art Spiritualität, die sich wohltuend von der „Konzept-Spiritualität” abhebt. Shiva-Shakti, Herzchakra, Tantra, Kundalini-Aufstieg – das scheint man hier nicht zu kennen. Das einzige Namasté, welches ich hier fand, war der Name eines indischen Restaurants, noch nicht mal ein biologisches. Doch, was mir hier seit meiner Ankunft wirklich ständig begegnet, ist eine ganz besondere, eine gelebte Spiritualität.
Schon am Flughafen am Information-Desk: Ein 1,95 Großer Bär von einem Mann, afrikanischer Herkunft. Ganz ruhig ist er und freundlich. Während er mir eine kurze Einführung über London gibt, lacht er viel, scherzt mit mir und seinen beiden Kolleginnen: Er macht offensichtlich seinen Job gerne, hat ein inneres Strahlen und eine ansteckende Zufriedenheit. Im Zug begegnen wir einem Schaffner, voller Charme und sprudelnde Freude. Auch er ist erfüllt von seinem Tun, ist augenscheinlich mit Leib und Seele Schaffner.
Viele Begegnungen dieser Art erlebe ich dieser Tage, und nun – gerade eben in der National-Gallery – noch eine, die mich zutiefst berührt:
Eine Schulklasse sitzt vor einem Bild. Es ist ein seltsames Bild. Eine aufgetakelte, alte Frau in einem Kleidchen, welches wohl eher zu einer jungen Frau passen würde. Grotesk und perfekt geeignet um unbändige Langeweile in der Schulklasse zu erzeugen. Doch nicht hier, denn der Museumsführer liebt ebenfalls seinen (ganz sicher völlig unterbezahlten) Job. Mit einem unglaublichen Charm und Eifer fesselt er das Grüppchen mit seinen Erzählungen – eine Stecknadel könnte man fallen hören in seinen Sprechpausen. Er stellt eine Frage an die vorpubertäre Gruppe, alle Arme schießen nach oben – das soll ihm mal jemand nachmachen.
Dann das für mich Unfassbare: Er schaut in die Gruppe und sagt: „Did you know, you are perfect?” – „Wusstet ihr, dass ihr perfekt seid?” Er schaut einen Jungen an und sagt: „Du bist ein göttliches Wesen”, dann zu einem Mädchen mit Brille und Zahnspange: „Du bist umwerfend schön.” Und wieder zu einem Jungen: „Du bist ein großartiger Mensch.”
Und nun zu allen Besuchern im Raum: „Ist es ein Problem alt zu sein? Sicherlich nicht. Doch ist es ein Problem, nicht alt werden zu wollen? Sich nicht annehmen zu können, als das, was man ist? Schaut euch diese Frau an, die nicht alt sein möchte; sich als junges Mädchen darstellt und dadurch grotesk und lächerlich wirkt. Würde sie sich annehmen, als das, was sie ist, so wäre sie würdevoll und schön. Und genau das, wollte der Künstler hier darstellen. Can you hear, what the picture is telling you?”
… und alle können es hören und fühlen.
Ich verlasse den Raum und bin dem „Museums-Seminarleiter” sehr dankbar, dass er sich so an die Welt verschenkt.
Egal, was Du tust – lass es ein Seminar sein, einen besonderen Raum der Liebe und des Miteinanders. Das Maß Deiner Spiritualität zeigt sich an Deiner Fähigkeit, jeden Moment freudvoll genießen und annehmen zu können. Und Nächstenliebe ist in diesem Sinne die Fähigkeit, andere Menschen an dieser inneren Freude teilhaben zu lassen.
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