Was hat Artgerechtheit mit Tantra und Selbsterkenntnis zu tun?
Eine gute Frage.
Und die Antwort darauf ist gar nicht so leicht – aber, wie ich glaube, sehr, sehr wichtig.
Wir alle kennen den Begriff „artgerechte Tierhaltung” und wer sich schon einmal damit wirklich, wirklich beschäftigt hat, weiß, dass es sie nicht gibt. Der Begriff „artgerechte Tierhaltung” ist ein sogenanntes „Oxymoron” – also ein Widerspruch in sich. So ähnlich wie „schwarzer Schimmel, runder Würfel oder stummer Schrei”.
Was? Warum das denn jetzt? Es gibt doch sehr wohl Kriterien, die wichtig sind, damit sich Tiere wohlfühlen…
oder nicht?
Ja – natürlich gibt es die. Doch der Begriff „artgerechte Tierhaltung” beinhaltet ein Attribrut, welches das andere grundsätzlich ausschließt. Denn ein Tier zu HALTEN, ist niemals artgerecht. Warte, warte, es geht mir jetzt nicht um „fleischessen ist böse und alle Veganer sind gut”. Das ist eine Entscheidung, die ein jeder Mensch für sich selbst treffen muss.
Nein nein, ich will auf etwas ganz anderes hinaus. Daher nochmals: Ein Tier zu HALTEN ist NIEMALS artgerecht. Denn das Grundwesen ein jeden Tieres ist seine Wildheit – ja, eben, die animalische Seite. Bei manchen Tieren ist die mehr ausgeprägt – zum Beispiel bei Wölfen. Bei anderen ist sie weniger stark sichtbar – zum Beispiel bei einem Regenwurm.
Tja, und doch wissen wir nicht, was in einem Regenwurm vor sich geht, wenn wir ihn in einen Würfel voller Erde sperren. Vielleicht ist er ebenso freiheitsliebend, wie ein Wolf, doch wir sind nicht in der Lage seine „stummen Schreie” wahrzunehmen.
Wer weiß.
(Dieses Video gibt es übrigens auch auf Englisch)
Was hat das nun alles mit uns Menschen zu tun? Mit „Tantra und Selbsterkenntnis”?
Nun – einfach alles!
Stelle Dir mal folgendes Bild vor: Ein Wolf kommt zu Dir und klagt Dir sein Leid. Er schildert, dass er irgendwie unerfüllt sei. Auch manchmal ein wenig depressiv. Sein Leben sei schon so weit O.K., aber halt irgendwie, mmmhhh, flach. Er sei schon eine ganze Weile auf spiritueller Suche, aber bislang noch ohne durchschlagendes Ergebnis.
Ohne, dass ich diesem Wolf nun eine weitere Frage stellen muss, weiß ich, dass er mit 99 prozentiger Wahrscheinlich in eine von zwei Kategorien fällt:
Entweder er hat kein Rudel und zieht alleine durch die Wälder.
Oder er lebt im Rudel, aber im Zoo.
Ah, oder die dritte Kategorie: Er wohnt alleine in einem Käfig in einem Zoo.
Ja – was soll ich nun diesem Wolf raten? Soll er täglich meditieren? Oder Mantras singen? Oder Yoga machen?
Nein – er soll artgerecht Leben! Vielleicht muss er meditieren oder Yoga machen um dies zu erkennen. Doch ohne den Schritt ins artgerechte Leben hinein, wird NICHTS in diesem Universum ihn erlösen können.
So – beim Wolf ist das ganze nun einerseits sehr einfach, denn es ist offensichtlich, wie ein Wolf leben muss, damit er ARTGERECHT lebt. Andererseits ist es aber auch sehr schwierig, denn er hat vielleicht gar keine Möglichkeit die Umstände dafür herbeizuführen – wenn er eben zum Beispiel im Käfig eingesperrt ist.
Tja, und beim Menschen ist das nun interessanterweise genau umgekehrt:
Der Mensch hat es einerseits recht leicht, die für ihn artgerechten Umstände herbeizuführen.
Andererseits – zumindest scheint es so – ist es nicht ganz so leicht für den Menschen herauszufinden was es braucht, damit er ARTGERECHT lebt. Oder doch?
So – warum erzähle ich das alles? Nun, ganz einfach deshalb, weil in unserer Arbeit mit Menschen uns genau dieses Thema nahezu täglich begegnet. Menschen suchen „spirituelle Befreiung” und halten sich selbst nicht artgerecht. Und wenn wir dann das Offensichtliche aufzeigen – zum Beispiel: Ja, natürlich bist Du einsam, Du lebst ja auch völlig isoliert. Oder: Natürlich bist Du unglücklich, Du hast Dich ja völlig in Deiner Ehe eingesperrt. Dann kommen oft tausend Gründe, warum das nicht anders möglich ist. Oder, dass dies ja gar nicht der Grund für die Unerfülltheit wäre.
Ja – was soll ich nun diesem Wolf – äh nein – diesem Menschen raten? Soll er täglich meditieren? Oder Mantras singen? Oder Yoga machen?
Nein – er soll artgerecht Leben! Vielleicht muss er meditieren oder Yoga machen um dies zu erkennen. Doch ohne den Schritt ins artgerechte Leben hinein, wird NICHTS in diesem Universum ihn erlösen können.
Moment, das kommt mir jetzt irgendwie bekannt vor…
Der Vergleich zwischen Mensch und Wolf ist schon ziemlich passend: Beides sind Wesen, welche fähig sind zu extremer Grausamkeit und unendlicher Zärtlichkeit. Sie sind beide angewiesen auf Freiheit und Einbindung. Und sie haben die Kapazität zu brillianter Intelligenz und abgrundtiefer Dummheit *lach*
Wie lebst Du?
Wild und gleichzeitig eingebunden?
Kraftvoll und zugleich sanftmütig?
Hältst Du Dich selbst in artgerechter Haltung? Oder hast Du tausend Gründe, warum das nicht geht?
Wahrhafte Spiritualität erwächst nur aus einem artgerechten Umfeld. Der Wolf in Freiheit meditiert in natürlicher Weise, indem er – wenn es gerade nichts zu tun gibt – still daliegt. Er singt natürliche Mantren, indem er mit seinem Rudel heult. Und er macht ursprüngliches Yoga, indem er sich vor und nach jeder Aktivität ausgiebig streckt.
Das erkennen und realisieren der eigenen artgerechten Haltung oder sollte ich eher sagen „der eigenen artgerechten freilassung?” ist der erste und vielleicht sogar wichtigste Schritt auf dem Weg der Selbsterkenntnis.
Und es ist – seltsamerweise – der schwierigste von allen. Es zu erkennen – zum Beispiel im Seminar – ist dabei noch nicht einmal das herausfordernste. Das geschieht eher leicht und spielerisch.
Aber diese Erkenntnis im Alltag zu bewahren und umzusetzen – das ist eine ganz andere Geschichte…
Alles Liebe,
Dirk Liesenfeld.
Hallo,
dies ist ein Beitrag, welcher mir auch sehr gut gefällt. Ich habe fast den Eindruck das Buch „Die Wolfsfrau” von Clarissa Pinkola Estés, welches mich schon viele Jahre begleitet, hat Dich dazu inspiriert. Danke
Liebe Manu,
das Buch kenne ich nicht – mal sehen, vielleicht lese ich es mal bei Gelegenheit
Alles Liebe,
Dirk.
DERjenige der sich Artgerecht halten kann ist glücklich
Das können die wenigsten Menschen.
… und darum ist die Welt in diesem Zustand.
Die Welt kann man nicht verändern – nur die Menschen.
Noch nicht einmal die Menschen. Nur sich selbst…
Doch irgendwo muss man ja anfangen…