Inne­re Reinigung

Ich bin einer die­ser aus­ge­spro­che­nen Jah­res­zei­ten­fans. Ich lie­be die­ses Wun­der, dass sich vier­mal jähr­lich voll­zieht. Und was ich noch wun­der­li­cher fin­de ist, dass die Natur Jahr für Jahr vor unse­rer Nase die­ses Lehr­stück voll­zieht und wir es kaum beachten.
Eine gro­ße Sehn­sucht vie­ler Men­schen ist es Ein­sicht in die grö­ße­ren mensch­li­chen, welt­li­chen und kos­mi­schen Zusam­men­hän­ge zu erlan­gen. Auch die Gesetz­mä­ßig­kei­ten, die auf unser und das Leben der Mit­men­schen wir­ken, ken­nen zu ler­nen. Es gibt in uns Men­schen auch eine gro­ße Sehn­sucht danach geführt und ein­ge­bun­den zu sein. Und fast jeder kennt den Wunsch inner­lich ruhig und zufrie­den zu sein, also inner­lich ein­ver­stan­den mit dem Platz  an dem wir im Leben stehen.
Kommt Dir das bekannt vor? – Zumin­dest den Men­schen, die schon ein­mal in einem unse­rer Semi­na­re waren, oder nicht? Die Natur lebt uns die Erfül­lung die­ser Sehn­süch­te jeden Tag vor. In dem all­jähr­li­chem Wech­sel lie­gen sogar die Ant­wor­ten, wie eine Weg­be­schrei­bung für uns parat.
Nun aber genug der phi­lo­so­phi­schen Betrach­tun­gen. Was mei­ne ich kon­kret damit?

Für die Selbst­er­kennt­nis ist die­se Zeit zwi­schen Herbst-Tag-und-Nacht­glei­che und der Win­ter­son­nen­wen­de gera­de­zu eine Hoch­zeit, sozu­sa­gen Haupt­sai­son: In die­ser Zeit wird näm­lich der Nähr­bo­den geschaf­fen für den nächs­ten (Wachs­tums-) Zyklus. In der Natur ist es so, dass sich die meis­ten Pflan­zen und Lebe­we­sen in sich zurück­zie­hen. Die Blät­ter fal­len von den Bäu­men (los­las­sen kön­nen, wenn die Zeit gekom­men ist), zer­set­zen sich, wer­den wie­der zur Erde und die Nähr­stof­fe dar­in wer­den von den Wur­zeln auf­ge­nom­men und tra­gen so wie­der­rum zum Wachs­tum des Bau­mes bei (der ewi­ge Zyklus, der Tod ist nur eine Ver­än­de­rung der Form, Geden­ken an die Ahnen). Auch vie­le  Lebe­we­sen zie­hen sich zurück in ihre Höh­len und Bau­ten und man­che machen sogar Win­ter­schlaf. Der Radi­us für uns Men­schen schränkt sich auch auf natür­li­che Wei­se durch die sin­ken­den Tem­pe­ra­tu­ren und die zuneh­men­de Dun­kel­heit ein. Alles in die­ser Zeit weist also dar­auf­hin, den Blick­win­kel mehr nach Innen zu rich­ten. Auf der mate­ri­el­len Ebe­ne kann das hei­ßen die Woh­nung so rich­tig durch­zu­put­zen und zu sor­tie­ren, um Din­ge, die Staub ange­setzt haben zu neu­em Glanz zu ver­hel­fen oder das, was über­flüs­sig gewor­den ist, abzu­ge­ben. Im Innern kann nun die­ser glei­che Pro­zess voll­zo­gen wer­den. Zu die­sem Pro­zess des inne­ren Rei­ne­ma­chens kann die Qua­li­tät der „stil­len Zeit”, die im Herbst beginnt, bis zum Win­ter­an­fang bewusst  genutzt wer­den. Wie soll etwas neu­es in mei­ne Leben kom­men, wenn alle Rega­le und Schrän­ke schon ange­füllt sind. Wie soll ich strah­len und glän­zen, wenn über­all Staub her­um­liegt, in man­chen Ecken mehr, in man­chen weni­ger. Viel­leicht sind es Bezie­hun­gen, die längst nicht mehr kraft­voll sind, an denen ich aber aus Angst vor der Lee­re oder der Ver­än­de­rung, die dann in mir ent­steht, fest­hal­te. Um bei unse­ren Bäu­men zu blei­ben: lie­ber die wel­ken Blät­ter wie­der ankle­ben, um die Illu­si­on des Som­mers auf­recht zu erhal­ten, als anzu­er­ken­nen, dass sich die Jah­res­zeit, sprich die Bezie­hung, gewan­delt hat. Viel­leicht sind es aber auch alte Emo­tio­nen, die immer wie­der mein Leben bestim­men, mich immer wie­der in die glei­chen Sack­gas­sen lau­fen las­sen oder mich läh­men. Jetzt ist die Zeit die­se Irr­läu­fer am Schopf zu fas­sen, um sie mal ganz genau zu betrach­ten. Dazu muss ich sie natür­lich erst­mal zu fas­sen bekom­men. Hier­bei hilft uns dann schon unse­re vor­her geschaf­fe­ne Ord­nung. So kön­nen sie sich nicht mehr ein­fach irgend­wo ver­ste­cken. Wenn wir sie dann erwischt haben, müs­sen wir sie als nächs­tes ent­stau­ben, damit ihre wah­re Natur wie­der zum Vor­schein kom­men kann. Mög­li­cher­wei­se ent­de­cken wir hier eine wah­ren Schatz, der, an die rich­ti­ge Stel­le gestellt, unse­rem inne­ren Raum Glanz und Rei­fe ver­lei­hen kann. Oder wir ent­de­cken, dass die­se alte Emo­ti­on oder die­ser alte Zustand gar nicht mehr zu uns passt. In dem Fall kön­nen wir sie/ihn getrost gehen las­sen. Es gibt bestimmt auch Din­ge, auf die wir sto­ßen, die wir noch nicht rich­tig ein­ord­nen kön­nen. Sol­len wir sie behal­ten oder bes­ser aus­sor­tie­ren? Brau­chen wir sie viel­leicht noch­mal? Geputzt sind sie recht hübsch, aber sie rei­ßen uns nicht wirk­lich vom Hocker. Dann kön­nen wir ihnen trotz­dem einen Platz in uns geben. Wir wis­sen aber nun, dass sie sich sozu­sa­gen auf dem Prüf­stand befin­den und wir wer­den sie im Lau­fe des Jah­res beson­ders genau betrach­ten, wen sie uns zwi­schen die Fin­ger kommen.
So wie wir zum Rei­ni­gen unse­rer „mate­ri­el­len” Woh­nung geeig­ne­tes und effek­ti­ves Putz­zeug brau­chen, brau­chen wir geeig­ne­tes und effek­ti­ves Putz­zeug für die Klä­rung unse­res inne­ren Rau­mes. Wir ken­nen doch alle die preis­wer­ten Staub­sauger für 30 €, die den Staub nur von einer Ecke in die ande­re schie­ben, den Fens­ter­rei­ni­ger, der ger­ne auch teu­er sein darf, aber mehr Schlie­ren auf den Fens­tern hin­ter­lässt, als vor­her da waren. Oder die schi­cken Putz­hand­schu­he, die zwar unse­re Hän­de pfle­gen, aber schluss­end­lich ver­hin­dern, dass wir auch den letz­ten Staub und Dreck aus den klei­nen und ver­steck­ten Ecken herausbekommen.
Nun aber wie­der zurück zur Selbst­er­kennt­nis. Der wich­tigs­te Schritt zur inne­ren Klä­rung und Rei­ni­gung wird von den wenigs­ten Men­schen gemacht: eine uner­schüt­ter­li­che Absicht zu haben. Die Absicht zu haben die­sen Weg bis zum Ende zu gehen, selbst die Kraft oder Ener­gie auf­zu­brin­gen die not­wen­dig ist um dem stand zu hal­ten was uns begeg­net; wei­ter an der Absicht fest­zu­hal­ten, auch wenn wir über­haupt kei­ne Ahnung haben wie, was, wo geht.
Der nächs­te Schritt ist ein bekann­tes aber genau­so oft miss­ver­stan­de­nes Mit­tel: die Stil­le. Am Anfang unse­re Rei­ni­gung geht es noch nicht dar­um inner­lich Still und Leer zu sein. Das hie­ße, um auf das Put­zen zurück zugrei­fen, alles ein­fach in den Kel­ler oder Dach­bo­den zu stel­len oder sich ein Zen­zim­mer ein­zu­rich­ten und in allen ande­ren Zim­mern herrscht immer noch das Cha­os. So ein Ort kann durch­aus der Samm­lung die­nen und uns zwi­schen­durch Auf­tan­ken las­sen, aber es ändert sich nichts am Grundzustand.
Zu Beginn ist nun mal viel Durch­ein­an­der und Staub in uns und die­ser Tat­sa­che wol­len wir uns ja schließ­lich stel­len (uner­schüt­ter­li­che Absicht). Die Stil­le erlaubt uns, unse­rem inne­ren Lärm zu zuhö­ren und unse­rem inne­ren Cha­os ansich­tig zu wer­den. Stil­le meint, dem still zu halten.
Als nächs­tes brau­chen wir die Lang­sam­keit. Alles, auf das wir anfäng­lich sto­ßen wer­den, läuft unglaub­lich schnell ab. Alles ist inein­an­der ver­dreht und ver­wursch­telt, wie ein Woll­knäu­el. Die Absicht und das Still­hal­ten wer­den nun ver­hin­dern, dass wir ent­we­der sofort wie­der weg­schau­en oder einen neu­en Kno­ten der Abwehr hin­zu­fü­gen, in Form von inne­rem Dia­log wie z.B. „Oh Gott! Das schaf­fe ich nie. Das hal­te ich nicht aus. Ich wei­ge­re mich zu sehen, dass ich Antei­le habe, die ich genau bei ande­ren Men­schen ver­ur­tei­le oder nicht akzep­tie­re”. Die Lang­sam­keit wird uns nun ermög­li­chen ein Gefühl, ein Mus­ter, einen Gedan­ken auf­zu­grei­fen, ihn fest­zu­hal­ten und genau zu betrach­ten, alle Facet­ten dar­in zu erfor­schen und zu erken­nen. So kön­nen wir erken­nen, wie Gefüh­le mit unse­rer eige­nen Geschich­te ver­wo­ben sind, aber auch, wie sie sich wie­der davon lösen kön­nen und damit zu etwas „mensch­heit­li­chem” wer­den, das zu uns Men­schen dazu gehört, also zu Dir und jedem Ande­ren auch. Das ist es, was uns Men­schen letzt­end­lich tief mit­ein­an­der ver­bin­det und gleich macht.
Dies sind die drei Rei­ni­gungs­mit­tel, die ich Dir für die Advents­zeit mit­ge­ben will. Pro­bier Dich damit aus, spiel damit. Lass es Dir weder an Ernst­haf­tig­keit, noch an Humor feh­len. Und wäh­rend Du immer ein Auge nach innen gerich­tet hältst, lass immer wie­der ein Auge in die Natur schwei­fen, um Dich zu fra­gen, was Du jetzt gera­de für Dich und dei­ne Situa­ti­on aus der Natur ler­nen kannst.
Ich wün­sche Dir viel Kraft und Freu­de dabei und wer­de Dich ger­ne dabei unterstützen.

Sarah

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