Ein kleiner Frieden – Ein Drama in 3 Akten
Den nachfolgenden Text gibt´s auch gesprochen,
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1 Akt
Schmerwitz, das kleine Dorf in dem ich lebe, ist eine kleine Oase der Ruhe und des friedlichen Miteinanders. Das gilt auch für die Hunde, die fast ausnahmslos frei herumlaufen.
Bis auf einen.
Dieser Eine ist ein kleiner, schwarz- brauner, vielbellender Dackel. Sein Herrchen ist einer von diesen ungemütlichen Zeitgenossen, die schon von weit entfernt einer freudig spielenden Hunde- Menschengruppe zuruft:” Sie müssen ihre Hunde aber an die Leine nehmen. Sowas ist verboten. Ich hole gleich die Polizei.” oder :” sonst mache ich meinen Hund los,” und stachelt seinen Hund auf, der wild die anderen Hunde ankläfft.
2 Akt
So lebte die Schmerwitzer Hundebesitzerwelt, nur getrübt durch diesen kleinen Wehmutstropfen, in Eintracht vor sich hin.
Bis zu diesem Tag: Negro, die schwarze, gutmütige Dogge und beliebter Spielpartner unserer Ridgebackhündin Inja, ist freilaufend mit seinem Herrchen auf der großen Dorfwiese unterwegs. Etwas weiter entfernt ist ein Bellen zu hören, das Negros Aufmerksamkeit zu erregen scheint. Er läuft los! Und stößt auf besagtes Herrchen mit Dackel, der Negro wütend anbellt. Meistens gibt es in solchen Fällen lautstarkes Geplänkel zwischen Hunden und Besitzern. Danach trennt man sich, wütend auf den Anderen vor sich hin schimpfend.
Diesmal aber nicht. Negro packt sich Arni, den Dackel, am Genick, schüttelt ihn einmal und .…. das gesamte Nackenfell ist aufgerissen. Ein Albtraum. Das will einem einfach nicht passieren. Darf auch nicht passieren.
Ein völlig aufgelöster Besitzer, eine empörte Tierärtztin, Anzeige beim Ordnungsamt. Ortsbegehung des Ordnungsamtleiters vor Ort. Das Ergebnis: Negro hätte nicht angeleint gewesen sein müssen. Die Wiese ist zwar öffentlich, aber in privatem Besitz. Stoff für ausgedehnte Diskussionen.
Schuld und böse Absicht kann man Negros Besitzer nicht vorwerfen. Das nützt ihm aber irgendwie auch nichts, da sein Hund ungefähr 15 Mal so groß wie der Dackel ist.
3 Akt
Ich jogge mit Inja, die ruhig und gelassen neben mir läuft, die Straße zum Wald entlang. Plötzlich taucht eine Silhouette vor mir auf. Der Dackelmann! Ich bin gespannt auf die Begegnung und trabe entspannt weiter. Schon als wir noch einige Meter voneinander entfernt sind, fängt Arni wütend an zu kläffen und wird von seinem Besitzer auf den Arm genommen, wo er weiter zetert. Und schon folgt das Unvermeidliche: Nehmen Sie ihren Hund an die Leine! Das muss man. Sie dürfen ihren Hund nicht frei herumlaufen lassen. Ich weiß das.!”
„Nein! Ich muss meinen Hund nicht an die Leine nehmen.” „Doch!” „Nein, ich habe den Gesetzestext ausgedruckt. *Ich darf meinen Hund hier ohne Leine laufen lassen.* Und außerdem finde ich es schon wunderlich: mein Hund steht hier völlig entspannt und gelassen. Ihr Hund hingegen kläfft und sie müssen ihn sogar hochnehmen.!” „Na ja, meint er, sonst passiert sowas nochmal.….”.
” Das, hake ich ein, kann ich verstehen, dass Sie davor Angst haben.” Der Dialog geht noch einige Zeit weiter. Er ist sehr aufgebracht, aber ich räume immer wieder ein, dass mir sein Hund sehr leid täte, ich seine Angst verständlich finde und an seiner Stelle auch mehr als aufgebracht wäre. Aber ich vertrete auch meine Ansicht, Negro sei mir als freundlicher, gutmütiger Hund bekannt, der völlig legal frei herumgelaufen sei.
Der Mann erzählt mir dann, er habe drei Jahre gebraucht, um sich für diesen Hund zu entscheiden und wie schrecklich der Moment des Angriffs für ihn gewesen sei. Mit einem Mal verstehe ich, dass es einfach nur die Angst um seinen Hund ist, die diesen Mann so unfreundlich sein und auf Recht und Ordnung pochen lässt. Unser Gespräch endet ruhig und mit leichtem Erstaunen übereinander. Die ” Nackenhaare” bleiben aber leicht aufgestellt.
Am nächsten Tag, an fast der gleichen Stelle: wieder der Dackelmann. Ich nehme Inja ” bei Fuß”, bleibe in respektvollem Abstand und Grüße ihn. Er grüßt zurück, Arni will deutlich zu Inja hin, was mich veranlasst ihn zu fragen, ob ich näher kommen kann. Er stimmt zu und wir fangen vorsichtig eine Unterhaltung an. Er erzählt mir von seiner Frau, der der Hund gehört hat, bevor sie vor sieben Jahren an Krebs gestorben ist. Er und sein Sohn haben sie zwei Wochen lang begleitet, bis sie dann eines Nachmittags in seinem Beisein gestorben ist. Er sei seiner Frau so dankbar gewesen, dass sie, trotzdem er 35 Jahre zur See gefahren sei, dabei auch immer wieder wochenlang unterwegs, bei ihm geblieben war. Wir sinnieren noch einige Momente über die Traurigkeit des Todes. Ich sage ihm, dass ich nun verstehe wie wichtig ihm der Hund ist und sehe wie tief traurig er immer noch ist. Wir reden noch einige Momente weiter, dann verabschiede ich mich.
Auf dem Rückweg fällt mir auf, das ich wie beseelt von etwas bin: es ist dieser kleine Frieden, den der Dackelmann und ich so unverhofft miteinander gefunden haben.
Es ist so, als wäre ein kleines Gewicht auf der Waagschale von Krieg und Frieden hinzugekommen; durch diese Begegnung ist meine von Ölpest, innerdeutschem Politchaos etc. ins ungerade geratene Waagschale wieder mehr ins Gleichgewicht gekommen.
Ich kann das Ölloch im Ozean nicht stopfen und auch den Elektrosmog nicht abschalten, aber ich kann in meiner alltäglichen Welt der Liebe treu bleiben.
An Stellen, an denen sich Schönheit, Verbundenheit oder Frieden zeigen wollen mich für das Verständnis und nicht für das Rechthaben entscheiden.
Liebe Grüße,
Sarah
Hallo Sarah!
Dein Erlebnis, wie es sich entwickelt hat, das gefällt mir sehr.
Was steckt hinter den oft abweisenden und harten „Fassaden“? Das ist die Frage die mich oft bezogen auf meine inneren Anteile beschäftigt. Scheinbar machen mir diese Anteile zu schaffen, und ich lehne sie oft ab. Aber manchmal spüre ich ein wenig den Schmerz der hinter ihnen steht. Das berührt mich dann sehr.
Wie im Außen so im Inneren.
Lieben Gruß
Andreas
P.S.: Ich freue mich sehr auf das Seminar nächste Woche.
Lieber Andreas,
danke für deinen Kommentar. An dem was du schreibst, wird auch nochmal die eigentliche Natur der harten und abweisenden Anteile in uns deutlich: sie schützen uns vor einem Schmerz. Hinter dem Schmerz sitzt das Verletztsein und die Traurigkeit darüber und dahinter die Weichheit und Empfindsamkeit. Um wieder weich und empfindsam zu sein, müssen wir diesen Weg rückwärts gehen und ein Bewusstsein für jede Schicht entwickeln, die diese umschließt und den Sinn darin verstehen. Die Härte und Zurückweisung ist ein Schutz für uns selbst und damit eigentlich unser Freund. Wenn wir sie ablehnen setzen wir nur noch eine zusätzliche Schicht drauf. Wenn wir nun Freundschaft schließen, dann können wir auch die Kraft erkennen, die diesen Anteilen innewohnt. Mit dieser Kraft können wir auch den Schmerz in seiner ganzen Tiefe fühlen. Und wenn wir nicht vor dem Schmerz zurückweichen, werden wir die Weite erkennen, die dahinter liegt. Diese wird das Verletztsein und die Traurigkeit umschließen und umarmen können. Und dann wird auch sichtbar, dass „Empfindsam sein ” nicht gleichbedeutend mit ” Verletzt werden” ist. Denn dieser Weg ist ein Reifungsprozess, der uns ermöglicht zu erkennen wer oder was und nährt und stärkt. Und wir lernen auch frühzeitig die nötige Nähe oder Distanz zu diesen Menschen oder Situationen herzustellen.
Aber selbst wenn: Ich denke, das Leben bringt die ein oder andere Narbe mit sich ‚und ich vertraue mir die Reife entwickelt zu haben damit umzugehen, ohne mich verschließen zu müssen. Ich sehe darin eher einen Hinweis mich genau zu überprüfen, ob ich wirklich wach, ehrlich und klar war und wirklich meiner Wahrnehmung vertraut habe. Ich habe mich entschieden lieber eine ” Verletzung” zu riskieren, als mich der Liebe zu verschließen und die Sicherheit zu suchen.
Liebe Grüße an dich,
Sarah